Bundestagsrede zur KI Verordnung vom 13.10.2023

Da war er wieder der Vorwurf von CDU/CSU, wir Grüne seien technikfeindlich und würden nur die Risiken sehen, statt die Chancen von Künstlicher Intelligenz zu betonen.
Dabei ließen mir die zwei Anträge zur KI-Verordnung, die CDU/CSU und AfD zu Künstlicher Intelligenz vorgelegt hatten, keine andere Wahl. Darin werden die Risiken, die es unbestreitbar gibt, im Wesentlichen negiert und sinnvolle Lösungen abgelehnt.
So fordert die Union u.a. die Streichung des Grundrechte-Checks, die Reduzierung der Anwendung der KI-Verordnung auf Machine Learning, keine Überprüfung der Umweltauswirkungen. Die AfD will gar die Hochrisiko-Klassifizierung komplett streichen. Übrigens alles Verbesserungen, die vom Europaparlament mit Stimmen der EVP (die Schwester der Union im EP) in den Trilog zur KI-Verordnung auf EU-Ebene eingebracht wurden.
Das sind jedenfalls keine Antworten auf die großen digitalpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Ist doch klar, dass ich mich vor allem damit auseinandergesetzt – und trotzdem auch die Chancen und Einsatzmöglichkeiten benannt habe.

Niederschrift der Rede aus dem Protokoll der 129. Sitzung vom 13. Oktober 2023:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Die Union sorgt sich um die Anschlussfähigkeit
Deutschlands. Ja, aus welchem Dornröschenschlaf sind
Sie denn erwacht?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)


ChatGPT gibt es ja nun schon lange, das ist nicht einfach
vom Himmel gefallen; die Foundation Models werden
bereits seit über zehn Jahren trainiert.

Europa muss wettbewerbsfähig sein.
Deshalb ist es richtig, dass wir KI-Labore und Kompetenzzentren aufbauen,
in Forschung und Entwicklung investieren,
Bedingungen für Gründerinnen und Gründer verbessern,
den Zugang zu Daten ermöglichen und ein Umfeld schaffen,
das Innovation befördert.

Und dazu gehört auch ein gesetzlicher Rahmen, der Rechtssicherheit schafft. Das fordern auch viele Unternehmen. Denn neben den vielen Chancen gibt es beim Einsatz von KI natürlich auch
Risiken; auf die weisen ja selbst die großen Techunternehmen hin wie auch viele Wissenschaftlerinnen und
Entwickler, darunter auch der KI-Vordenker Geoffrey
Hinton. Insofern sind Forderungen nach Deregulierung
anachronistisch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Nein! Richtige
Regulierung!)


Regulierung und gemeinsame Standards schaffen ja
gerade Rechtssicherheit und ein Level Playing Field für
Wirtschaft und Innovation. Die KI-Verordnung stellt einen Paradigmenwechsel dar. Erstmals wird nicht eine Technologie reguliert, sondern mit dem risikobasierten
Ansatz werden auch zukünftige Technologien mit adressiert. Damit kommen wir endlich in die Vorhand, statt den technischen Entwicklungen immer hinterherzurennen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber für Risiken zeigen Sie ja keinerlei Lösungen
auf. Stattdessen will die Union die Grundrechteprüfung
streichen, die AfD gar die Klassifizierung von Hochrisikosystemen. Dabei gibt es zahlreiche Beispiele, welches Diskriminierungspotenzial KI hat: Ich denke an die niederländische Kindergeldaffäre, bei der Zehntausende Familien durch KI fälschlicherweise des Betrugs bezichtigt
wurden und die einige Menschen in den Selbstmord trieb,
oder zweifelhafte KI-Analysen im Personalwesen bis hin
zu automatisierten Kündigungen wie in den USA,
Chatbots, die Suizidtendenzen bestärken, oder Bonitätsrechnungen, die Männer gegenüber Frauen deutlich bevorzugen. Das sind nur einige Beispiele.


KI wird in vielen öffentlichen und privaten Bereichen
bereits eingesetzt: in Forschung und Bildung, Mobilität
und Städteplanung, bei Versicherungen und Banken, in
Handel und Verwaltung, Arbeitsmarkt und Polizeiarbeit.
Umso wichtiger, dass Daten-, Verbraucher- und Grundrechtsschutz gewährleistet sind! Vertrauenswürdige KI „made in Europe“, das muss unsere Marke sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unsicherheit besteht hinsichtlich der Large Language
Models. Die Plattform X hat dem Scraping großer
Sprachmodelle den Riegel vorgeschoben. OpenAI
stoppte die Bing-Integration von ChatGPT wegen der
Umgehung von Paywalls. Und Kreative sehen ihre Werke
als begehrtes Datenfutter missbraucht und fordern Vergütungen für die Nutzung.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist nur
negativ! Die ganze Rede ist nur negativ!)


Für den Datenhunger dieser Systeme braucht es Antworten, lieber Herr Jarzombek.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aber doch
nicht, indem man alles nur schlimm findet!)


Wenn es keine neuen kreativen Inhalte im Netz mehr gibt,
weil man damit nichts mehr verdienen kann und die Systeme kein frisches Futter mehr bekommen, dann landen wir im Value Lock.


(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wo?)


Welche Auswirkungen hat das auf den Meinungsbildungsprozess? Genauso wie vermeintlich perfekte
ChatGPT-Texte oder Kl-Bilder! Viele Menschen haben
ja heute schon Probleme, redaktionelle Inhalte von Werbung oder Falschmeldungen zu unterscheiden.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das liegt
auch an den Redaktionen zuweilen!)


Hier geht es um womöglich fundamentale Auswirkungen
auf unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist nur negativ!
Die ganze Rede ist nur negativ!)


– Nein, das ist nicht nur negativ.
Es ist richtig, dass das Europaparlament generative Kl
in die Kl-Verordnung mit aufgenommen hat. Und es ist
wichtig, dass von Anfang an evaluiert wird und Fehlentwicklungen
schnell entgegengesteuert werden kann.
Und zum Schluss: Völlig unverständlich sind Ihre Forderungen, Umweltauflagen zu streichen.
Ja, Kl kann viele Effizienzgewinne ermöglichen, aber doch nur dann,
wenn sie selbst weniger Ressourcen verbraucht. Wenn
aber allein 1 Milliarde Anfragen bei ChatGPT in einem
Monat so viel Energie verbraucht wie eine Stadt wie
Oldenburg im ganzen Jahr, dann zeigt das doch, dass
man dringend auch an den Stromfresser Kl ranmuss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
s
owie bei Abgeordneten der FDP – Thomas
Jarzombek [CDU/CSU]: Wir müssen Oldenburg abschalten! Das ist total absurd!)


Wir sind überzeugt: Mit der Kl-Verordnung fördern
wir Kl auf Basis der europäischen Werteordnung. Daran
werden sich viele andere Länder orientieren. Wir setzen
damit Maßstäbe, und zwar weltweit.
Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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