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Medienpolitische Heuchelei, Gastbeitrag auf medienpolitik.net

Am 18. Mai 2020 habe ich auf medienpolitik.net einen Gastbeitrag zur Debatte um die Corona-bedingte Aussetzung der Erhöhung des Rundfunkbeitrags veröffentlicht. Sie können ihn auch hier nachlesen.

Angesichts der Corona-Krise wird der Wert eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks für eine informierte Bevölkerung deutlich. Staatsfern organisiert soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk unabhängig berichten. Es ist die Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, eine prüfende und einordnende Instanz im Wirrwarr aus Informationen und Meinungen zu sein. Sie haben dabei den Auftrag, einen Beitrag für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu leisten. Dazu gehört der Bildungsauftrag und zwar für alle Altersgruppen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Öffentlich-Rechtlichen bildet sich dieser Tage in steigenden Einschaltquoten ab. Auch wenn die AfD noch kürzlich zur Sabotage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgerufen hat, zeigt es sich, dass immer mehr Menschen ihr Vertrauen in dieser Krise den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schenken. „Auf den Top-Plätzen der täglichen Quotencharts sind seit Wochen verlässlich die 20-Uhr-Tagesschau und das heute journal. Auch das neue Format ARD-extra zur Corona-Lage und andere öffentlich-rechtliche Informationsprogramme laufen gut.“[1]

Nun wird der Streit über die Beitragserhöhung in Anbetracht der Corona-Krise erneut befeuert. Erstmals seit vielen Jahren hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine geringfügige Erhöhung des Rundfunkbeitrags ermittelt. Zum Januar 2021 soll der Beitrag um 86 Cent ansteigen. Ich stimme dieser Erhöhung grundlegend zu. Am 12. März hatte sich auch die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder auf eine Erhöhung geeinigt. Nur der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haselhoff, enthielt sich der Stimme. Inzwischen kommt Widerstand auch aus Sachsen und Thüringen. Zudem haben sich einige Bundestagsabgeordnete der Union an die Ministerpräsidenten gewandt und fordern, die geplante Erhöhung zu auszusetzen. Allerdings haben die Ministerpräsidenten nur einen sehr kleinen Spielraum bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Die Gründe für ausnahmsweise zulässige Abweichungen der Länder von den KEF-Empfehlungen erschöpfen sich nach der Rechtsprechung des BVerfG im Wesentlichen in Aspekten des Informationszugangs und der angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer. Vor diesem Hintergrund könnte allenfalls diskutabel sein, eine eng befristete Verschiebung der von der KEF empfohlenen Beitragserhöhung auf den Gesichtspunkt einer ansonsten unangemessenen Beitragsbelastung zu stützen, soweit diese Belastung nicht über Befreiungen vom Rundfunkbeitrag hinreichend abgemildert werden kann. Denn die Corona-Krise belastet viele private Haushalte wie Unternehmen außergewöhnlich stark.

„Die Ministerpräsidenten haben nur einen sehr kleinen Spielraum bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags.“

Allerdings schlägt sich die Corona-Krise mit einbrechenden Werbeeinnahmen auch auf die Einnahmesituation der Rundfunkanstalten nieder. Schon in den vergangenen Jahren wurden große Sparanstrengungen von den Rundfunksendern verlangt. Was aber bisher versäumt wurde, ist eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, damit er die Vorteile der Digitalisierung bestmöglich nutzen kann und seinem Funktionsauftrag gemäß so aufgestellt ist, dem zunehmend digitalen Nutzungsverhalten der Beitragszahler gerecht zu werden. Spareffekte könnten damit ggf. auch durch die Streichung nicht mehr benötigter analoger Angebote erzielt werden. Nun rächt es sich, dass die Länder sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk zukunftsfähig ins digitale Zeitalter überführt werden kann. Sparmaßnahmen jetzt zu erzwingen und als Akt der Barmherzigkeit an der Bevölkerung darzustellen, halte ich für Heuchelei.

„Sparmaßnahmen jetzt zu erzwingen und als Akt der Barmherzigkeit an der Bevölkerung darzustellen, halte ich für Heuchelei.“

Denn schon lange wird die Diskussion um den Rundfunkbeitrag in meinen Augen verkehrt herum geführt. Ja, die Öffentlich-Rechtlichen müssen reformiert werden, da sich das Informations- und Kommunikationsverhalten der Menschen im digitalen Raum verändert hat. Aber dafür braucht es eine breite gesellschaftliche Debatte, wie der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks  zukunftsfähig gestaltet werden kann. Und erst wenn der Auftrag für das digitale Zeitalter nachjustiert ist, kann über den Beitrag diskutiert werden. Denn der Beitrag folgt dem Auftrag und nicht umgekehrt. Alles andere bedeutet, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Gerade in der Krise sind wir froh, einen gut aufgestellten Rundfunk zu haben, der umfassend berichtet. Ich denke, dass sich nach der Corona-Krise eine gesellschaftliche Debatte über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anbietet, denn das Bewusstsein in der Bevölkerung für seinen Wert ist gestiegen.

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