Rede zum Haushalt des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz am 12.09.2019

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 17 Prozent – diese Zahlist eine Ohrfeige für die Verbraucherpolitik der Koalition; denn nur17 Prozent der Menschen vertrauen der Politik beim ThemaVerbraucherschutz. Das zeigt der gerade veröffentlichte Verbraucherreport. Dassind fast 10 Prozent weniger als vor zwei Jahren. Es ist noch schlimmer:Auf die Frage: „Welche politische Partei setzt sich Ihrer Meinung nach amstärksten für Verbraucherschutz ein?“ schneiden CDU/CSU mit 6 Prozent undSPD mit 4 Prozent katastrophal schlecht ab. Das sollte Sie wirklichwachrütteln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber diese Note „ungenügend“ haben Sie sich redlich verdient. Ichsage nur: Dieselskandal, steigende Mieten oder schlechte Internetverbindungen.Nach Ihrem Vorzeigeprojekt, der Musterfeststellungsklage, kam zumVerbraucherschutz – nichts. Und selbst die Musterfeststellungsklage ist ja nureine Mogelpackung statt der versprochenen „Klage für alle“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Amira Mohamed Ali (DIE LINKE))

Das Einzige, was kam: eine Ankündigung nach der anderen. BestesBeispiel: Vor einem halben Jahr hat Ihre Vorgängerin ein Gesetz gegen Abzockeund Kostenfallen versprochen, zuletzt sogar auf die Titelseite der„Bild“-Zeitung. Aber: Wo bleibt das Gesetz? Es gibt nicht einmal einenReferentenentwurf, nur interne, in der Koalition nicht abgestimmte Entwürfe.Die wurden allerdings schon der Presse zugespielt, nicht aber dem Bundestag.Das ist erstens kein guter Stil,

(Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU))

und zweitens fürchte ich, dass das Gesetz in dieser Koalition niekommen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn aus der Union kam gleich Widerspruch, zum Beispiel zu denVorschlägen, die Laufzeit von Handyverträgen auf ein Jahr zu begrenzen. Dafrage ich mich: Reden Sie in der Koalition eigentlich direkt miteinander odernur über die Presse? Es wäre deutlich seriöser, erst mit einem abgestimmtenEntwurf an die Öffentlichkeit zu gehen, als vorzeitig Hoffnungen zu wecken, dieSie dann nicht erfüllen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beim Thema Inkasso das Gleiche: Sie verschleppen das Gesetz, obwohlIhre eigene Evaluation schon vor langer Zeit gezeigt hat, dass es immer nochgroße Probleme mit unseriösen Inkassounternehmen gibt. Die üben nämlichweiterhin Druck auf die Verbraucherinnen und Verbraucher aus und berechnen oftschon fürs erste Schreiben Gebühren, die sonst bei Rechtsanwälten fälligwerden. Bis zu 70 Euro sind da völlig üblich. Eigentlich wollten Sie schon voreinem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Aber es gibt keinenGesetzentwurf, über den man diskutieren könnte, es gibt nur einen in derKoalition nicht abgestimmten Entwurf, und der ist nicht öffentlich, dafür hatihn aber die Presse. Zur Restschuldversicherung ist der Rentenentwurf zwaröffentlich, aber wegen Streitigkeiten in der Koalition in der Schubladeverschwunden. Von diesen Winkelzügen sind die Verbraucher zu Recht enttäuscht.Die durchschauen nämlich dieses Spiel, wenn Sie so tun, als ob es vorangeht,der Verbraucherschutz in Wahrheit aber auf der Stelle tritt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Amira Mohamed Ali (DIE LINKE))

Ich fordere Sie dringend auf: Nehmen Sie die Alltagsprobleme derMenschen endlich ernst und setzen Sie die Ankündigungen auch um. Und, liebeUnion, treten Sie nicht gleich auf die Bremse, wenn mal eine gute Idee auf demTisch liegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt nämlich wahrlich vieles zu tun. Gerade im Digitalen muss esmehr alltagsfreundliche Regelungen geben, zum Beispiel bei der Kündigung einesVertrages, der im Internet abgeschlossen wurde. Warum ist es möglich, mit nureinem Klick in einen Vertrag einzusteigen, aber ein großes Brimborium, ausdiesem Vertrag auszusteigen? Das erschließt sich mir nicht. Dafür braucht eseine Lösung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder denken Sie an die Entschädigungsformulare auch bei derDeutschen Bahn. Die können immer noch nicht online bearbeitet werden. Nein, manmuss sie ausdrucken, ausfüllen und dann per Post abschicken. Das ist im Jahr2019 nur noch peinlich,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und das sollten Sie grundsätzlich regeln, wie es andere Länderübrigens schon längst vorgemacht haben.

Beim nachhaltigen Konsum vermisse ich leider auch jede Aktivität desBMJV, dabei ist es eines der drei federführenden Ministerien beim NationalenProgramm für nachhaltigen Konsum. Aber wo ist aber Ihr Engagement, wo sind dieGelder dafür im Haushalt? Oder wenn es darum geht, wie die privaten HaushalteKlimaschutzmaßnahmen umsetzen und CO2 einsparen können? Was tun Siegegen die Verschwendung von Ressourcen, wenn Produkte auf Verschleiß gebautwerden? Sogar die USA, das Wegwerfland Nummer eins, geht hier voran. MehrereUS-Bundesstaaten wollen nämlich ein Recht auf Reparatur einführen und so dieBerge von Elektroschrott reduzieren. Das brauchen wir auch hier dringend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also: Handeln Sie jetzt! Nachhaltigen Verbraucherschutz gibt es ebennicht zum Nulltarif. Kennen Sie das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“? BeimVerbraucherschutz stehen Sie wirklich nackt da, und wir scheuen uns nicht,Ihnen das auf den Kopf zuzusagen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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