Bundestagsrede zum Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetzes vom 18.01.2024 

Endlich liegt dem Bundestag der Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) vor, das die Bundesregierung zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene vorgelegt hat. Während die ab 17. Februar 2024 in der Europäischen Union geltende DSA-Verordnung etwa Sorgfaltspflichten für Online-Dienste im „Kampf gegen Desinformation und Hassrede“ im Internet und die Durchsetzung auf EU-Ebene regelt, konkretisiert der Gesetzentwurf der Bundesregierung Zuständigkeiten der Behörden in Deutschland.

Niederschrift der Rede aus dem Protokoll der 147. Sitzung vom 18. Januar 2024:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich komme mal wieder zur Sache, über die wir heute diskutieren, nämlich zum Digitale-Dienste-Gesetz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Entwurf, der vorliegt, konkretisiert nicht nur die Vorgaben des Digital Services Act, sondern er etabliert vor allem die nationale Aufsichtsstruktur über Internetplattformen. Leider sind wir nicht im Zeitplan – das wurde schon gesagt –; denn der DSA tritt für Plattformen, die weniger als 45 Millionen monatliche Nutzer/-innen haben, am 17. Februar in Kraft. Bis dahin werden wir das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen haben.

Dennoch wollen wir den Gesetzentwurf sorgfältig beraten und zügig beschließen; denn die deutschen Aufsichtsbehörden müssen schnell besetzt und gut ausgestattet werden, um sich an der EU-weit koordinierten Marktaufsicht zu beteiligen und die neuen Regeln zu überwachen.

Schon die Verhandlungen des DSA waren langwierig. Denn die Verordnung greift nicht nur tief in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten ein; sie soll auch insgesamt ein sicheres und vertrauenswürdiges Onlineumfeld gewährleisten und adressiert neben sozialen Netzwerken auch Gaming-Plattformen, Onlinemarktplätze oder Vergleichsplattformen. Das stellt auch die Mitgliedstaaten bei der Einrichtung des Digitalkoordinators vor besondere Herausforderungen.

Der nationale Koordinator wird der Dreh- und Angelpunkt sein. Er soll die bisherigen Aufsichtsstrukturen in den unterschiedlichen Regelungsbereichen zusammenbinden, auf EU-Ebene mit Kommission und anderen nationalen Koordinatoren eng zusammenarbeiten und bei grenzüberschreitenden Verstößen gegen den DSA für eine effektive Durchsetzung sorgen.

Aber nur, wenn er mit weiteren zuständigen Behörden eng zusammenwirkt, funktioniert die Aufsicht. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft eben genau das DDG. Die gelebte Praxis ist aber ebenso wichtig. Dafür braucht es moderne Strukturen, digitale Kommunikationswege und den passenden Teamgeist.

Die Bundesregierung hat sich früh festgelegt, der Bundesnetzagentur die Aufgaben des Digital Services Coordinators zu übertragen. Man wollte mit den bestehenden Strukturen schnell eine durchsetzungsstarke Aufsicht auf die Beine stellen. Daneben sind weitere zuständige Behörden zu benennen, die Aufgaben aus dem DSA erfüllen und in die Aufsichtsstruktur eingebunden werden.

Damit fing das Gerangel an, das zu zeitlichen Verzögerungen geführt hat. So gab es großen Widerstand, die Landesmedienanstalten als zuständige Behörden aufzunehmen. Verbände und die Zivilgesellschaft forderten, die Aufsicht möglichst straff zu halten. Dabei sieht der DSA gar nicht vor, dass der Koordinator alle Bereiche selbst beaufsichtigt. Das darf er auch gar nicht; denn die Kompetenzen für die Medienregulierung liegen nun mal in den Bundesländern.

(Catarina dos Santos-Wintz [CDU/CSU]: Richtig!)

Daher ist es zwingend erforderlich, die Landesmedienanstalten, die ja bereits viel Expertise bei der Durchsetzung des Jugendmedienschutzes aufgebaut haben und jetzt schon Aufgaben des DSA erfüllen, in dieser Aufsichtsstruktur einzubinden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Catarina dos Santos-Wintz [CDU/CSU])

Unser gemeinsames Ziel muss doch sein, den Jugendmedienschutz in Kooperation mit anderen Behörden wie der recht neuen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, die für andere Aufgaben zuständig ist, insgesamt zu stärken.

Zentral ist auch, dass alle Behörden, die Aufgaben des DSA erfüllen, vollständig unabhängig gestellt sind und keinen Weisungen unterliegen. In Deutschland muss die Regulierung und Aufsicht von publizistischen Inhalten staatsfern erfolgen; denn nicht der Staat darf entscheiden, was wir sehen und diskutieren dürfen und was nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie da mal zu, Frau von Storch!)

Das ist übrigens ein Kritikpunkt beim DSA: Die Kommission selbst hat als staatliche Institution die Aufsicht über die „Very Large Online Platforms“ übernommen. Die Einrichtung einer unabhängigen Digitalagentur auf EU-Ebene wäre dem Ziel der Staats- bzw. Unionsferne näher gekommen. Das Europaparlament hat sich da aber leider mit seinen Forderungen nicht durchsetzen können.

(Beatrix von Storch [AfD]: Weil die Kommission die Gesetze macht!)

Zurück zum DDG. Gegenüber dem Referentenentwurf gibt es einige Verbesserungen. Die Position der Zivilgesellschaft in dem einzurichtenden Beirat wurde gestärkt. Der Koordinator soll besser ausgestattet werden und eine moderne IT-Infrastruktur bekommen. Die Regelungen zur Störerhaftung aus dem Telemediengesetz finden sich jetzt auch korrekt wieder – das hatte nämlich für Irritationen gesorgt –, und es gibt eine Regelung zur Benennung eines nationalen Zustellungsbevollmächtigten, wenn auch nicht so umfänglich wie im NetzDG.

Nicht erst die vergangenen Monate mit der massenhaften Verbreitung von Gewaltvideos aus Israel und Nahost haben gezeigt, dass eine starke Aufsicht dringend notwendig ist. Geltende Regeln werden immer noch nicht ausreichend umgesetzt. Illegale Inhalte verbreiten sich auf den Netzwerken in Windeseile.

Laut einer Studie des vzbv sind Verbraucher/-innen auf den Plattformen weiter unfairen Praktiken ausgesetzt: Trotz Verbots werden Dark Patterns verwendet, Werbekriterien sind nicht transparent. Kontaktstellen, AGB-Informationen und Optionen für Empfehlungssysteme sind schlecht auffindbar. Es gibt also jede Menge zu tun.

Mit einer durchsetzungsstarken Aufsicht ist die Hoffnung verbunden, das Netz wieder zu zivilisieren und gesellschaftliche Diskursräume zu gestalten, in denen demokratische Auseinandersetzung und der Austausch möglich sind – ein Ziel, das angesichts des schmalen Grats zwischen einerseits Meinungsfreiheit, andererseits aber auch dem Schutzauftrag anderer Grundrechte alles andere als trivial ist.

Noch ein Punkt: Das Gesetz gegen digitale Gewalt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ist eine zwingende Ergänzung für eine rechtssichere demokratische Onlinewelt und sollte auch so schnell wie möglich ins Parlament kommen.

Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen, auf die Anhörung und bin froh, dass wir jetzt auf der Zielgeraden sind.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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