Tabea bei der Preisverleihung mit den Preisträger:innen und Christian Köhler (l.), Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes (Fotograf Thomas Rafalzyk)

Verbraucherjournalistenpreis

Als Schirmherrin durfte ich den Verbraucherjournalistenpreis des Markenverbands in diesem Jahr mit verleihen. Das diesjährige Motto: „Kampf gegen Produktfälschungen – Sicher Einkaufen im Netz“ – eines meiner Herzensthemen. Daher war es mir eine große Ehre und Freude, mit meiner Eröffnungsrede den feierlichen Rahmen für die Verleihung mit zu gestalten.

Ausgezeichnet wurde der Artikel Die geheimen Chats der Netzbetrüger (Süddeutsche Zeitung, Paywall) von Hannes Munzinger, Lea Weinmann und Nils Wischmeyer, der aufzeigt, wie professionell Betrüger:innen im Netz agieren.

Preisträger der Kategorie TV/Radio ist Daniel Güldner mit dem Fernsehbeitrag Warum es in Deutschland so viele Fake-Shops gibt (Marktcheck, SWR).

Tabea bei ihrer Rede (Fotograf Thomas Rafalzyk)

Meine Rede für die Preisverleihung (es gilt das gesprochene Wort):

Liebe Preisträgerin, liebe Preisträger, sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, als Schirmherrin heute ein paar Worte zu Ihnen sprechen zu dürfen. Danke für die Einladung!

Vor kurzem musste ich mit meinen Geschwistern den Umzug meiner pflegebedürftigen Eltern organisieren. Tabea, kannst du mal eben einen Nachsendeantrag für die Post stellen, bat mich meine Schwester. Klar, mache ich das. Und ich erinnere mich noch genau an die Situation: Zwischen zwei Terminen, auf dem Tablet, während dessen kam ein Anruf, verschiedene Push-Nachrichten ploppten auf, und zack – schnappte die Falle zu. Ich war einem Fakeshop aufgesessen. Die Webseite war professionell gestaltet und erweckte den Eindruck, es handle sich um eine offizielle DHL-Seite mit den bekannten Logos.

Und kaum hatte ich das bemerkt, war es auch schon zu spät. Es war nicht rückgängig zu machen. Das Unternehmen war eine Briefkastenfirma, das Geld war futsch. Und ich hab mich in den Hintern gebissen. Ausgerechnet mir – seit vielen Jahren Digitalpolitikerin und zuständig für den digitalen Verbraucher­schutz – passiert so etwas. Gerade ich müsste es doch besser wissen!

Warum erzähle ich das?

Nicht nur, weil wir Abgeordnete auch nur Menschen sind. Dass berufliche Kompetenz auch nicht vor fiesen Fallen schützt. Dass es super ärgerlich ist, aber: Es muss einem nicht peinlich sein. Denn: es kann jeder und jedem passieren.

Die Digitalisierung verändert unser aller Leben. Wir sind mit unserem Smartphone in der Lage, fast alle Dinge des täglichen Lebens zu tun. Wir schreiben E-Mails, vernetzen uns über Messengerdienste, erledigen Bankgeschäfte per App und kaufen immer mehr online ein. Direkt vom Sofa aus zu bestellen, spart Zeit, ist bequem und oft sogar günstiger.

Aber, wo viele Menschen sind, tummeln sich auch zunehmend Betrüger, die mit enormer krimineller Energie immer fiesere Tricks ausbaldowern, um Verbraucherinnen und Verbrauchern das Geld aus der Tasche zu ziehen.

So haben Kriminelle in der Zeit der Pandemie, als wir im Lock-down alle zuhause saßen und viele aus Angst vor Ansteckun­gen lieber online einkauften, ihre Betrugsmaschen geradezu ausgefeilt und ausgebaut.

Ob Identitäts- oder Datenklau, Fake-Shops oder Fake-Profile, Cookie-Einstellungen, Schadsoftware oder Dark Patterns – jede 4. Verbraucher:in hat schon Betrug im Internet erlebt.

Die Zahl an Fake-Shops hat sich innerhalb von 3 Jahren versechsfacht.

Umso wichtiger ist Aufklärung über betrügerische und kriminelle Praktiken im Netz. Verbraucherjournalist:innen tragen ganz wesentlich dazu bei, aufzudecken und breit zu informieren, damit Verbraucher:innen im Internet sensibilisiert sind und besser hinschauen. Journalist:innen brauchen daher Unterstützung und gute Arbeitsbedingungen, um diese wichtige Arbeit frei und unabhängig erfüllen zu können.

Zwei dieser Beiträge würdigen wir heute. Im Artikel von Hannes Munzinger, Lea Weinmann und Nils Wischmeyer geht es um „Die geheimen Chats der Netzbetrüger“, und der Fernsehbeitrag von Daniel Güldner zeigt auf, warum es in Deutschland so viele Fake-Shops gibt.

Die beiden ausgezeichneten Beiträge decken zwei Arten von Online-Betrug auf, und es wird deutlich, wie professionell organisiert die Täter sind – aber auch, wie machtlos, wie verletzlich die Verbraucherinnen und Verbraucher sind.

Verletzlich sind die Verbraucher:innen auch deshalb, weil sie eine ganze Menge Vertrauensvorschuss geben, ja geben müssen. Sie geben ihre Konaktdaten in Adressfelder ein, die Wenigsten lesen sich die AGBs durch, viele stimmen den – oft nicht sehr verbraucherfreundlich gestalteten – Cookie-Einstellungen automatisch zu und – so kommt es leider auch viel zu oft vor – geben Kund:innen auch persönliche Informationen, wie die Namen der Kinder, weiter, um Rabatte im Online-Shop zu erhalten.

Was aber viele nicht bedenken, ist, dass gerade die Daten von Kriminellen genutzt werden.

Einer neuen Bitkom-Umfrage zufolge berichtet fast die Hälfte der Befragten, dass ihre persönlichen Daten unautorisiert weitergegeben und verarbeitet wurden. Und die schlimmste Form des Datenklaus ist die Verwendung einer fremden Identität für kriminelle Geschäfte. 

Und dieser Datenklau kommt ganz unbedarft daher. Mal kurz genervt einen Cookie-Banner weggeklickt, zack – landen die Daten bei Unternehmen, die diese weiterverkaufen. Im Bruchteil von Sekunden hat man dso ie Souveränität über die eigenen Daten verloren. Und nicht nur über die eigenen Daten, sondern auch über die Selbstbestimmung im Netz.

Eine andere Dimension hat es, wenn man unentdeckt Schadsaftware auf den Rechner bekommt. Letzte Woche beunruhigte die Nachricht über Godfather. Das ist ein Trojaner, der Bank- und Zugangsdaten abgreift. Und das, ohne dass es erkennbare Hinweise oder Anzeichen dafür gibt. Bislang ist nicht bekannt, wie sich der Trojaner verbreitet. Das ist deshalb so schwerwiegend, weil dieses Unwissen uns noch angreifbarer macht.

Bei all diesen Beispielen, stellt sich die Frage, wie informiert Verbraucher:innen im Zeitalter des Digitalen überhaupt sein können. Von Mündigkeit kann kaum noch gesprochen werden.

Das entspricht auch der Erfahrung der Verbraucher:innen selbst. Ein Großteil von ihnen fühlt sich nicht sicher im Netz.

Unser Arbeitsauftrag ist LAO klar: Wir müssen Verbraucherinnen und Verbraucher besser schützen.

Das Internet braucht klare Regeln. Einiges haben wir im vergangenen Jahr schon erreicht. Mit dem Digital Services Act sind wir einen enormen Schritt vorangekommen, damit Verbraucher:innen mehr Rechtssicherheit im Netz haben. – Auch wenn ich mir strengere Vorgaben beim Microtargeting und ein Verbot von Dark Patterns gewünscht hätte. Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht soll mehr Wahrheit bei Kundenbewertungen beim Online-Shopping schaffen.

Regelungen helfen aber nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden. So ist die Durchsetzung der DSGVO – nicht zuletzt bei den Cookie-Bannern – äußerst mangelhaft.

Das A und O ist eine personell gut ausgestattete und durchsetzungsstarke Aufsicht. Einen wichtigen Beitrag leisten auch die Verbraucherzentralen und Verbraucherschutzverbände, die wir in IHREN Klagebefugnissen stärken müssen.

Und wichtig sind die Medien. Sie können investigativ recherchieren, sie legen den Finger tief in die Wunden und machen deutlich, wo Regelungslücken sind, welche neuen Maschen Betrüger verfolgen und vor welchen Herausforderungen wir immer wieder stehen.

Als Gesellschaft gilt es, genau hinzusehen.

Die Politik, die Aufsichtsbehörden und auch die Verbraucherverbände sind auf die Arbeit der Medien angewiesen, um Missstände zu erkennen, Warnungen an die Menschen zu bringen und gegen Betrug und Kriminalität wirksam vorzugehen.

Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu Ihren Preisen. Verstehen Sie diese Ehrung als Würdigung Ihrer wichtigen Arbeit. Machen Sie weiter! Es braucht unabhängigen und qualitätsvollen Journalismus mehr denn je. Dafür mache ich mich stark.

Und gemeinsam werden wir weiter daran arbeiten, Kriminellen das Handwerk zu legen und Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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