Neue Diskussion um Jugendschutz und Netzsperren

Zum Vorstoß der Kommission für Jugendmedienschutz, den Jugendschutz in Deutschland auch mithilfe von Netzsperern durchzusetzen, erklärt Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

„Websperren sehe ich als Instrument nach wie vor kritisch. Diese Diskussion haben wir bereits vor über zehn Jahren sehr intensiv geführt. Damals ging es aber vor allem um rechtswidrige Inhalte, die unserer Ansicht nach nicht gesperrt, sondern gelöscht werden sollten. Zudem können DNS-Sperren relativ leicht umgangen werden. Daher sollte dieses Instrument nur sehr zurückhaltend in Erwägung gezogen werden.

Bei der aktuellen Sperrverfügung der KJM ist der Fall aber etwas anders gelagert: Die Inhalte selbst sind zwar nicht rechtswidrig, die auf den deutschen Markt abzielenden Angebote im Netz verstoßen aber wegen der fehlenden Altersverifizierung eindeutig gegen den Jugendschutz und damit gegen deutsches Recht. Nachdem die Anbieter über Jahre nicht zu einem rechtskonformen Angebot zu bewegen waren, ist gut nachvollziehbar, dass die Kommission für Jugendmedienschutz nun zum Instrument der Sperrverfügung greift. Diese Maßnahme ist als Ultima Ratio im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auch so vorgesehen. Die Debatte, wie Recht im Netz durchgesetzt wird, läuft seit Jahren. Daher verstehe ich, dass die zuständige Aufsichtsbehörde, die übrigens föderal und staatlich unabhängig organisiert und finanziert wird und sich daher auch nicht mit Abgeordneten abstimmen muss, hier ein Exempel statuiert und deutlich machen will, dass man nicht alles durchgehen lässt.

Bei allem Verständnis ist dennoch wichtig, davor zu warnen, dass mit dem Einsatz solcher Mittel die Büchse der Pandora geöffnet wird. Bei einer bedachten Regulierung gilt es immer, unerwünschte Nebeneffekte für das freie Internet zu vermeiden. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Versuchung groß ist, auch in anderen weniger eindeutigen Kontexten auf regulatorische Instrumente zurückzugreifen, die die Meinungsfreiheit einschränken können. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden.

Fakt ist: Im Netz besteht an vielen verschiedenen Stellen die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche mit nicht altersgemäßen Inhalten konfrontiert werden. Deshalb ist es nach wie vor zentral, dass Kinder und Jugendliche früh Digitalkompetenz erwerben, Eltern und Schule sie dabei begleiten und mit ihnen darüber sprechen, wie sie mit problematischen oder verstörenden Inhalten umgehen können. Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern und eine starke Medienkompetenz ist sicher wirkungsvoller als ein vergeblicher Versuch, Kinder und Jugendliche von problematischen Inhalten fernzuhalten.“

Der Spiegel hat am 13.06.2020 über dieses Thema berichtet: „Deutsche Medienwächter wollen Jugendschutz mit Netzsperren durchsetzen“

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