Bundestagsrede zur Weiterentwicklung der nationalen Datenstrategie vom 28.9.2023

Wir brauchen Fairness, klare Regeln und Transparenz. Dabei müssen Datenschutz & Datennutzung Hand in Hand gehen. Wer Daten will, muss Sicherheit bieten.

Niederschrift der Rede aus dem Protokoll der 125. Sitzung vom 28. September 2023:

(Es gilt das gesprochene Wort)

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war ja eher eine Satire.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD
und der FDP und der Abg. Anke DomscheitBerg [DIE LINKE] – Zuruf von der SPD: Eine
schlechte!)

Wenn Sie, Frau Storch, mal öfter im Digitalausschuss vorbeischauen würden, dann hätten Sie wahrscheinlich ein bisschen mehr Kenntnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE])

Gestern meinte ein Vertreter der Digitalwirtschaft zu mir, es ginge in Diskussionen ja immer um mehr Daten, dabei hätten wir ja fast schon zu viele. Ich konnte mich dem natürlich nicht sofort anschließen, weil ich gleich an Forschung und andere Bereiche gedacht habe, wo die Datenlage unzureichend ist.

Dann habe ich mir Zahlen angeschaut. Während das weltweite Datenaufkommen vor sechs Jahren noch
23 Zettabytes betrug, schätzt man das Volumen im nächsten Jahr auf 163 Zettabytes; das ist eine Zahl mit 21 Nullen. Wenn man das auf DVDs brennen würde, wäre das laut einer Studie ein Stapel, der 23-mal von der Erde bis zum Mond reichen würde. Also, wir haben unfassbar viele Daten, und 80 Prozent der Unternehmensdaten in Deutschland werden nicht genutzt. Warum? Weil sie nicht lesbar sind, nicht interoperabel, ihre Qualität nicht ausreicht oder sie schlicht nicht zugänglich sind. Dabei wissen wir, dass digitale Anwendungen wie Machine Learning und KI mit Daten gefüttert und trainiert werden
müssen, um ihren Nutzen für die Gesellschaft entfalten zu können.

80 Prozent verborgene Schätze – das müssen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir setzen große Hoffnungen auf Automatisierung, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, die Wirtschaft in die Klimaneutralität zu führen, für digitale Zwillinge und smarte Lösungen bei der Städte- und Verkehrsplanung, für eine effiziente Logistik und Vorhersagen von Naturkatastrophen. Ich komme aus Rheinland-Pfalz. Womöglich hätten wir im Ahrtal Menschen retten können, wenn wir bessere Prognosen aufgrund von validen Wetterdaten gehabt hätten.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Die Prognosen waren da! Die Leute haben versagt! – Weitere Zurufe der Abg. Stephan Brandner [AfD] und Beatrix von Storch [AfD])

Es ist daher überfällig, die Datenstrategie upzudaten, um die Schätze heben zu können. Für die Datennutzung braucht es Fairness, klare Regeln und Transparenz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wer Daten will, muss Sicherheit bieten. Mit der Roadmap gehen wir sehr ambitioniert Gesetze an, die die faire Nutzung von Daten ermöglichen, Standards setzen und Qualitätsanforderungen beschreiben.

Auch der Staat ist in der Pflicht. Es liegen so viele Daten in den Amtsstuben von Bund, Ländern und Kommunen. Oft besteht gar kein Überblick, was alles verfügbar ist, und dann wird doch eine neue Erhebung gemacht. Das kostet Zeit, Geld, Geduld und Vertrauen. Die neu eingerichteten Datenlabore im Kanzleramt und in den Ministerien sind ein richtiger Ansatz, um Kompetenzen aufzubauen und bestehende Daten besser zu nutzen.

In einigen Bereichen brauchen wir mehr Daten: in der Forschung, für die Diagnostik und Früherkennung von schweren Erkrankungen wie für ihre Therapien. Aber Gesundheitsdaten sind sensibel. Umso wichtiger, dass höchste Anforderungen an Datenschutz, Sicherheit und Selbstbestimmung derjenigen gelten, deren Daten die Wissenschaft braucht. Ich bin überzeugt, dass mehr Menschen Daten zur Verfügung stellen, wenn sie sicher sein können, dass ihre Daten nicht missbraucht oder sogar am Ende gegen sie verwendet werden. Leider machen viele Verbraucherinnen und Verbraucher ja immer noch schlechte Erfahrungen. Daten- und Identitätsklau, gierige Cookies im Dienst des Datenkapitalismus, Manipulation im Stile von Cambridge Analytica oder beim Scoring der Schufa haben viel Vertrauen verspielt.

Wenn wir mehr persönliche Daten sammeln, brauchen wir konsequenten Datenschutz und Sicherheit by Design sowie ein transparentes Risikomanagement.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

So gewinnen wir Vertrauen. Und fürs Gemeinwohl geben Menschen ihre Daten, nicht für die Profite einzelner Internetkonzerne, und, wenn sie die Kontrolle behalten und widersprechen können.

Der Data Act ist richtungsweisend und räumt den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Selbstbestimmung ein. Zudem braucht es weitere Anstrengungen bei Anonymisierungstechniken und gut ausgestattete Datenschutzbehörden. Mit der elektronischen Patientenakte steht der Zugang zu vielen sensiblen Daten im Raum. Wir müssen dafür sorgen, dass gut gemeint am Ende auch gut gemacht ist.

Wichtig ist bei allem eine hohe Datenqualität, um mögliche Bias – die Kollegin Kassautzki hat es angesprochen – in den Modellierungen mitzudenken und zu verhindern. Wenn man zum Beispiel Verkehrsdaten erhebt, gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, zwischen Alt und Jung, und man kann nachvollziehen, wer, wann und zu welchem Zweck welches Verkehrsmittel nutzt. Um Diskriminierungen nicht zu verfestigen, muss by Design mitgedacht werden.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas: Kommen Sie bitte zum Schluss.

Nur so gelingt eine bessere inklusive Planung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen Datennutzung zu guten Bedingungen in Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas: Liebe Frau Rößner, letzter Satz, bitte.

– ich komme zum Schluss, mein letzter Satz – auf nationaler Ebene mit dem Mobilitäts- und Forschungsdatengesetz, mit Datenräumen und dem Transparenzgesetz. Im Verbund mit den europäischen Gesetzen bilden wir einen Rahmen, –

Vizepräsidentin Yvonne Magwas: Liebe Frau Rößner, letzter Satz, jetzt wirklich bitte.

– der Diskriminierungen vermindert, Fairness und Transparenz erhöht und Rechtssicherheit schafft.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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