Das Ammenmärchen von der Corona-Warn-App und dem Datenschutz

Und täglich grüßt das Murmeltier: Wer heute noch glaubt, mit einem Vorschlag zum Aushebeln des Datenschutzes einen guten Debattenbeitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten zu können, hat offenbar die Diskussionen der letzten Monate verpasst. Denn alle relevanten Argumente wurden bereits hunderte von Malen ausgetauscht. Es bleibt dabei: Statt über das Schleifen des Datenschutzes zu sinnieren, müssen wir zunächst dafür sorgen, dass die bereits geltenden Maßnahmen besser eingehalten und kontrolliert werden. Und da ist wahrlich noch viel Luft nach oben und viel Spielraum, ganz ohne die Aushöhlung von Grundrechten ins Spiel zu bringen. Ausgerechnet Österreich als gutes Beispiel anzuführen, ist schon bemerkenswert. Denn es kann ja wohl nicht sinnvoll sein, einerseits Daten zu sammeln und gleichzeitig Skilifte zu öffnen, was die Menschen regelrecht zum Reisen ermutigt. Da leidet dann schon die Glaubwürdigkeit, dass es einem wirklich um die Pandemie-Bekämpfung geht.
Sinnvoll ist es stattdessen, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken. Gerade das hohe Datenschutzniveau bei der Corona-Warn-App hat dazu geführt, dass sich im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern verhältnismäßig viele Menschen diese App heruntergeladen haben. Dieses Vertrauen sollte nicht durch unüberlegte Forderungen verspielt werden. Anonymisierte Bewegungsdaten wurden bereits im Frühjahr an das Robert-Koch-Institut übermittelt, das ist dem Bundesdatenschutzbeauftragten zufolge vertretbar. Vor einer Auswertung personenbezogener Daten dagegen haben nicht nur Datenschützer gewarnt, sie stellt auch verfassungsrechtlich einen zu tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, wenn keine Einwilligung der Nutzerinnen und Nutzer besteht. Die Corona-Warn-App kann noch auf verschiedene andere Weisen weiterentwickelt werden – Stichwort Clustererkennung, Symptomtagebuch und vieles mehr – ganz ohne eine unnötige Massenüberwachung der Bevölkerung ins Spiel zu bringen. Hier hapert es noch und hier muss zuerst angesetzt werden, dann reden wir weiter.

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  1. Dietrich Elsner

    Liebe Tabea,
    der, nach meiner Überzeugung wichtigste Satz zu diesem Thema ist: „Sinnvoll ist es stattdessen, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken.“ Ich denke genau darum geht es. In Anbetracht der vielfältigen Weitergabe persönlicher Daten an die großen Systembetreiber, die damit ihr Milliardengeschäft finanzieren, halte ich die Datenschutzdiskussion im Zusammenhang mit der Corona-App für Irrsinn. Mit einer besseren Funktionalität dieser App, hätten viele Innfektionen und Todesfälle über eine automatische Rückverfolgung und Weitergabe der Infektionen verhindert werden können, weil wir schneller wären als das Virus. Datenschutz vor Infektionsschutz ist die falsche Prioritätensetzung. Zuerst muss der Infektionsschutz kommen, dann muss sicher gestellt werden, dass die dabei entstehenden persönlichen Daten geschützt bleiben. „Neet to know“ heißt dieses Prinzip. Hierbei werden die Datenbesitzer verpflichtet, die Daten nur im Rahmen der definierten Geschäftsprozesse zu halten und zu löschen, sobald keine Notwendigkeit für die Daten mehr besteht. Das gilt ganz besonders für Personen bezogene Daten, die von den Themen bezogenen Daten so schnell wie möglich getrennt werden.
    Damit erlangt man erheblich mehr Daten, als durch die ampotierte Corona Warn App. Die Bürger müssen sich nur darauf verlassen können, dass mit den Daten kein Schindluder getrieben wird. Ich fürchte, dass dieses Vertrauen durch eine Reihe aufgedekter Missbrauchsfällen verloren gegangen ist. An einen ersten Fall kann ich mich im Rahmen der RAF-Fahndung erinnern, als die Daten zum Stromverbrauch ausgewertet wurden und es zu einer Reihe falscher Verdächtigungen gekommen ist. Netzfahndung nannte man das damals. So etwas ist gefährlich und zerstört das Vertrauen. Verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen, ist fast unmöglich.

    Liebe Grüße
    Dietrich

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