Rede zur Digitalisierung von Familienleistungen am 4. November 2020

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Formulare, so heißt es, begleiten Bürger von der Wiege bis zur Bahre. Um den Bürgerinnen und Bürgern Wege zu ersparen und die Verwaltungen zu entlasten, sollen in zwei Jahren alle Dienstleistungen digital angeboten werden, am besten nach dem Once-only-Prinzip, das heißt: Man gibt der Verwaltung einmal seine Daten, und die Verwaltung kann je nach Dienstleistung zugreifen. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Das spüren gerade im Lockdown viele frischgebackene Eltern, die an verschiedenen Stellen eine Geburtsurkunde, Kinder- und Elterngeld beantragen müssen. Dies soll nun über eine Onlineanwendung möglich werden. Wenigstens an dieser Stelle machen Sie jungen Menschen das Kinderkriegen etwas leichter.

In Bremen startet das Pilotprojekt. Dabei wird besonderer Wert auf Transparenz beim Datenaustausch gelegt, und Eltern können nachvollziehen, welche ihrer Daten wohin gehen. So sollte es immer sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei diesem Projekt sind – ausnahmsweise, muss man leider sagen – die Datenschutzbeauftragten eng mit einbezogen worden. Positiv ist auch, dass die digitalen Familienleistungen freiwillig bleiben. Aber genug des Lobes.

Die Koalition kam in diesem Gesetzgebungsverfahren mit einem Änderungsantrag zum Onlinezugangsgesetz um die Ecke, der sehr umfangreich und weitreichend ist. Bei der Anhörung wurde das heftigst kritisiert. Dass hier ohne intensive fachliche und parlamentarische Beratung mit heißer Nadel so grundlegend am OZG gestrickt wird, geht gar nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

Kritisiert wurde auch, dass mit der Registermodernisierung die Steuer-ID als Personenkennzeichen für alle Datenpools eingeführt werden soll. Das würde auch die Regelung hier, die Identifizierung und Datenverknüpfung über Elster in einem abgeschlossenen Bereich, überschreiben. Abgesehen davon, dass bei Einführung der Steuer-ID damals beteuert wurde, dass sie nur für die Steuer verwendet werde und das ein klarer Vertrauensbruch ist, birgt dieser zentrale Identifier ein unüberschaubares Risiko. Die verschiedenen Register können dann untereinander munter Daten austauschen, ganz ohne Einwilligung der betroffenen Personen. Die unzähligen unberechtigten Abfragen aus Polizeidatenbanken in der jüngsten Zeit beweisen, dass das keine theoretische Gefahr ist.

Diese Zusammenführung aller Informationen zu einer Person auf staatlicher Seite stellt einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar und ist daher grundrechtswidrig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Kritisch sehen das übrigens auch das Bundesverfassungsgericht

(Marian Wendt [CDU/CSU]: 1983!)

und die Datenschutzbeauftragten. Zudem hat ja nicht jede Person eine Steuer-ID. Würde man stattdessen wie beim österreichischen Modell bereichsspezifische Identifier nutzen, könnte man auch dieses Problem lösen. Es gäbe ein höheres Maß an Datensicherheit, und Bürgerinnen und Bürger hätten eine bessere Kontrolle über ihre eigenen Daten. Das würde deutlich mehr Vertrauen schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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