Befragung von Bundeskanzlerin Merkel zum Bundestagshack 2015

In der Regierungsbefragung mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel am 13. Mai 2020 habe ich der Kanzlerin ein paar Fragen zu den neuesten Erkenntnissen rund um den Bundestagshack von 2015 gestellt. Im Zuge des damaligen Angriffes musste der Bundestag für mehrere Tage vom Netz gehen.

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

„Frau Bundeskanzlerin, ich möchte mich auf Medienberichte aus der vergangenen Woche beziehen, und zwar ging es darin um die Ermittlungserfolge in Sachen Bundestagshack. Es gab ja vor fünf Jahren – Sie erinnern sich – einen großen Hackerangriff auf den Bundestag. Man schätzt, dass damals 16 Gigabyte an Daten, Dokumenten, E-Mails abgegriffen worden sind. Unter anderem ist ja auch Ihr Abgeordnetenbüro davon betroffen gewesen. Ich nehme an, Sie teilen unsere Einschätzung aufgrund dieses Ermittlungserfolgs, dass sich die Zusammenarbeit mit den ausländischen Geheimdiensten bewährt hat und dass auch außerhalb des Instruments Hackback eine erfolgreiche Cyberabwehr möglich ist.

Ich wollte Sie fragen, ob Sie Erkenntnisse darüber haben, welche Daten und vor allen Dingen zu welchem Zweck diese Daten aus Ihrem Büro abgegriffen worden sind.“

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

„Nein. Ich habe den Eindruck: Da wurde relativ wahllos abgegriffen, was man kriegen konnte. Ich bin sehr froh, dass die Untersuchungen jetzt dazu geführt haben, dass der Generalbundesanwalt eine konkrete Person auf die Fahndungsliste gesetzt hat. Ich nehme diese Dinge sehr ernst, weil ich glaube, dass da sehr ordentlich recherchiert wurde, und ich darf sehr ehrlich sagen: Mich schmerzt es. Auf der einen Seite bemühe ich mich tagtäglich auch um ein besseres Verhältnis zu Russland, und wenn man auf der anderen Seite sieht, dass es harte Evidenzen dafür gibt, dass da auch russische Kräfte dabei sind, so vorzugehen, dann ist das schon ein Spannungsfeld, in dem wir da arbeiten – in dem Wunsch nach guten Beziehungen zu Russland –, das auch ich nicht ganz aus meinem Innern streichen kann. Das ist unangenehm, und wir werden natürlich alles tun, um den Wünschen des GBA zu entsprechen.“

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

„Vielleicht genau dazu die Nachfrage: Zu welcher neuen Einschätzung kommen Sie dann in der Bewertung der Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst – gerade im Hinblick darauf, dass es diese Verbindung dieses mutmaßlichen Täters gibt, der ja offenbar ganz eindeutig mit Fancy Bear, dem Militärgeheimdienst GRU usw. zusammengearbeitet hat oder -arbeitet?“

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

„Leider ist die Einschätzung, zu der ich komme, nicht neu, weil es eine Facette in einer Vielzahl von Facetten gibt. Es gibt eine Strategie Russlands, die wir beachten müssen, und die können wir auch nicht einfach verdrängen: die Strategie der hybriden Kriegsführung, die auch Kriegsführung im Zusammenhang mit Cyberdesorientierung und Faktenverdrehung beinhaltet. Das ist nicht nur irgendwie ein Zufallsprodukt, sondern das ist durchaus eine Strategie, die dort angewandt wird. Trotzdem werde ich mich weiter um ein gutes Verhältnis zu Russland bemühen, weil ich glaube, dass es allen Grund gibt, diese diplomatischen Bemühungen immer fortzusetzen. Aber das macht es natürlich nicht einfacher.“

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

„Dazu eine Nachfrage? – Herr Kollege.“

Manuel Höferlin (FDP):

„Ich bin jetzt irritiert. Sie sagen, der Vorgang sei Ihnen unangenehm. Ich glaube, so nah war seit Guillaume kein fremder Geheimdienst mehr an einem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland dran. Ich finde den Vorgang schon eher ungeheuerlich. Ist Ihnen das nur unangenehm, oder haben Sie mit dem Außenminister und weiteren auch über Maßnahmen gesprochen, die irgendeine Folge für das Land zulassen bzw. möglich machen? Ich finde diesen Vorgang für dieses Land nämlich, ehrlich gesagt, mehr als unangenehm.“

Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:

„Mehr als unangenehm, genau. Unangenehm ist aber eine Facette; ungeheuerlich finde ich ihn, nebenbei, auch. Ich bin auch nicht die einzige Betroffene des Deutschen Bundestages gewesen, sondern das waren ja viele Kollegen Abgeordneten. Für sie gilt das „ungeheuerlich“ genauso. Das stört natürlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sie wissen, dass wir im Zusammenhang mit dem Mord im Tiergarten Sanktionen verhängt, also Ausweisungen veranlasst haben. Wir haben jetzt an dieser Stelle erst mal
die Aufgabe, zu versuchen, die Person durch Fahndung zu finden. Aber natürlich behalten wir uns immer Maßnahmen vor – auch gegen Russland –, um das deutlich zu machen.“

Über meine Fragen an Bundeskanzlerin Angela Merkel haben am 13. Mai 2020 auch eine Reihe von Medien berichtet, so unter anderem die Tagesschau, der Guardian, politico, Rheinpfalz, Merkur, Arte und der Weser-Kurier.

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