Gastbeitrag: Wie eine sinnvolle Presseförderung aussehen könnte

Länder und Verbände fordern vom Bund, die Zustellung von Zeitungen zu stützen. Es gäbe Innovativeres. Ein Gastbeitrag.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien am 24.06.23 folgender Beitrag von mir und Karl-E. Hain:

Über viele Jahrzehnte war das Thema direkte Presseförderung in der Bundesrepublik ein Tabu. Um ihrer publizistischen Unabhängigkeit willen lehnten auch die Presseverleger direkte staatliche Subventionen ab. Nach dem massiven Einbruch des Printgeschäfts, der durch digitale Abonnements bislang nicht kompensiert werden kann, hat sich die Stimmung in den Verlagshäusern gedreht. Schon die vorherige Bundesregierung hat die Entwicklung im Pressesektor zum Anlass genommen, Fördermodelle zu entwickeln, die aber nicht umgesetzt wurden. Nun hat die Diskussion wieder Fahrt.

Direkte Förderung ja, Zustellförderung nein

Auch der Koalitionsvertrag der Ampel hat das Thema aufgegriffen, zudem existieren zahlreiche wissenschaftliche Stellungnahmen wie das kürzlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlichte Gutachten von WIK Consult. Ebenso wie dieses Gutachten votiert ein von SPD-Seite in der F.A.Z. veröffentlichtes Grundsatzpapier für eine Förderung der Zeitungszustellung. Diese Forderung erheben Landesregierungen und die Verlegerverbände BDZV und MVFP.

Wegen der unbestreitbar wichtigen Funktion des Pressejournalismus für die freie Meinungsbildung meinen auch wir, dass angesichts des kritischen Zustands insbesondere der lokal und regional ausgerichteten Presse eine direkte Förderung sinnvoll ist. Eine Zustellförderung jedoch nicht.

Dass die Geschäftsmodelle im klassischen Printbereich durch den Rückgang der Abos, den Einbruch von Werbeeinnahmen und steigende Kosten kaum mehr zukunftsfähig sind, dürfte außer Frage stehen. Erstaunlich ist, dass die Zustellförderung favorisiert wird, obwohl ein solcher Ansatz in der letzten Legislaturperiode – nicht zuletzt aus rechtlichen und haushälterischen Gründen – gescheitert ist. Auch das Argument, vor allem ältere Menschen auf dem Land, die keine Wechselbereitschaft auf digitale Angebote zeigen, zu einem bezahlbaren Preis mit gedruckten Zeitungen zu versorgen, überzeugt nicht. Zunächst steigt die Internetnutzung auch der älteren Generationen kontinuierlich, sodass das Problem mit der Zustellförderung nur für eine Übergangszeit besteht. Die Zukunft der Nutzung von Medien zur Information liegt im Netz. Daher setzt eine Zustellförderung die falschen Anreize, da sie Innovation eher verhindert. Presseförderung sollte anregen, die Transformation ins Internet durch den Ausbau leserfreundlicher digitaler Geschäftsmodelle anzutreiben, die wirtschaftlich tragen.

Welches Ziel steht im Mittelpunkt?

Vor dem Entwurf konkreter Fördermodelle muss die Vergewisserung stehen, welches Ziel im Mittelpunkt steht. Wir gehen davon aus, dass der durch die (Qualitäts-)Presse geprägte Journalismus in seiner spezifischen Eigenrationalität einen wesentlichen Beitrag zur freiheitlichen Meinungsbildung, zur Pluralität des öffentlichen Diskurses und damit zur Demokratie leistet. Journalistische Qualität kann aber nur durch professionell agierende Redaktionen erbracht werden. Darum sollte es der Förderung um die Erhaltung der wirtschaftlichen Bedingungen für Redaktionen gehen, ob deren Arbeit übergangsweise noch gedruckt oder zunehmend online verbreitet wird. Der technologieneutrale Ansatz ist auch eher geeignet, eine verfassungs- und unionsrechtlich problematische Verzerrung des Wettbewerbs zu vermeiden, zu der eine ausschließliche Förderung der Zustellung gedruckter Zeitungen tendiert, da sie etablierte Presseverlage gegenüber Online-only-Diensten begünstigt. Der Kreis der Förderfähigen sollte über in Deutschland ansässige hinaus auch solche in anderen Mitgliedstaaten der EU ansässigen Presseorgane umfassen, die auf den deutschen Meinungsmarkt ausgerichtet sind.

Die Sicherung der demokratischen und journalistischen Qualität geförderter Einheiten erfolgt durch die Auswahl der Förderkriterien, die strikt inhaltsneutral zu sein haben.

Insoweit werden etwa die Erscheinungsfrequenz, ein Mindestanteil journalistisch-redaktioneller Inhalte, ein Mindestanteil an Eigenproduktion solcher Inhalte, die Verpflichtung auf medienethische Standards, das Vorhandensein von Redaktionsstatuten, eine Mindestanzahl an Stellen für professionell ausgebildete Journalisten diskutiert.

Förderungen sollten auf einen Höchstanteil der redaktionellen und sonstigen Produktionskosten begrenzt sein. Daneben kommen weitere Förderlinien in Betracht, die etwa auf journalistische Weiterbildung und den Aufbau passender Online-Geschäftsmodelle zielen. Der Förderungszeitraum sollte nicht zu knapp bemessen, aber auf maximal zehn Jahre begrenzt sein, und Effekte der Förderung sollten regelmäßig evaluiert werden. Die Förderung sollte darauf abzielen, dass letztlich aus eigener Kraft wirtschaftlich tragfähige Publikationsorgane entstehen. An diesem Ziel ist die Gesamtsumme der Förderung unter – Berücksichtigung beihilfenrechtlicher Grenzen zu orientieren.

Bundeskompetenz lässt sich begründen

Für das hier skizzierte Modell der Presseförderung ist es bei einem wirtschaftlichen Schwerpunkt der Förderung, den anzunehmen bei deren Konzentration auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlagen für pressemäßigen Journalismus nicht abwegig erscheint, angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesfilmförderung nicht ausgeschlossen, eine Bundesgesetzgebungskompetenz auf der Basis des Kompetenztitels „Recht der Wirtschaft“ zu begründen. In diesem Fall könnte der Bund auch die Vollzugskompetenz an sich ziehen. Wenn derzeit verschiedene Vertreter der Bundesländer eine baldige Bundeslösung fordern, ist indes anzumerken, dass daneben – ähnlich wie bei der Filmförderung – eine Förderung auch durch die Länder nicht prinzipiell ausscheidet und von einigen Ländern auch praktiziert wird.

Zentral für das deutsche Medienverfassungsrecht ist der Grundsatz der Staatsferne. Dieser ist nicht zuletzt von Bedeutung für die Auswahl der mittelvergebenden Stelle und deren innere Organisation. Im Mediensektor bilden staatliche Einflussnahmen auch im Bereich der Finanzierung eine große Gefahr für die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit der weitgehenden Neutralisierung staatlichen Einflusses reagiert. Auch die Vergabe von Pressesubventionen muss staatsfern erfolgen. Möglichkeiten des Bundes und der Länder, auf die Mittelvergabe mittelbar inhaltlich lenkend einzuwirken, müssen ausgeschlossen werden.

Daher kommen Behörden der obersten Bundesverwaltung wie das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nicht als Förderbehörden in Betracht. Entsprechendes muss auch für nachgeordnete Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung gelten, die von obersten Bundesbehörden rechtlich und fachlich weisungsabhängig sind. In Betracht kommt wie bei der Filmförderung des Bundes die Errichtung einer mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestatteten neuen bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 3 Grundgesetz) als Förderbehörde, über die keine Fachaufsicht bestünde und die wegen auch nur einer begrenzten Rechtsaufsicht unterliegen dürfte, die – ähnlich der Rechtsaufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – auf die Aufsichtsmittel der Einholung von Informationen und der Beanstandung von Entscheidungen wegen Rechtswidrigkeit zu beschränken wäre. Auch eine Presseförderung durch die Länder darf nur durch eine gegenüber der unmittelbaren Landesverwaltung rechtlich verselbständigten Institution erfolgen. Weiterhin müssten die Förderinstitutionen, insbesondere die Einheiten, die über Förderanträge entscheiden, auch personell staatsfern zusammengesetzt sein. Zu empfehlen ist eine Zusammensetzung der unmittelbar die Mittel bewilligenden Einheiten aus sachverständigen Vertretern der einschlägigen Wissenschaften unter Hinzuziehung von Vertretern der Presseverbände (inklusive derjenigen für digitale Publisher), der Journalistenverbände und der Leserschaft.

Bei der im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehenen Prüfung von Fördermodellen auf Eignung für eine flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen sollte der Blick nicht vorschnell auf eine Zustellförderung verengt, sondern sollten staatsferne Fördermodelle einbezogen werden, die zukunftsorientiert den Bestand und die Entwicklung journalistisch professionell arbeitender Redaktionen in einer zunehmend digitalen Medienwelt im Sinn haben.

Tabea Rößner (Grüne) ist Vorsitzende des Ausschusses für Digitales im Bundestag.Karl-E. Hain ist Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln.

Quelle: F.A.Z. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001–2023

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