Credit: Yura Fresh @mr_fresh (unsplash)

Maßnahmenpaket gegen Hass und Hetze im Netz schießt über das Ziel hinaus

Hass und Hetze, digitale Gewalt, Rechtsextremismus müssen bekämpft werden. Denn wenn das Internet der Kommunikationsraum ist, in dem sich immer mehr Menschen informieren, wenn im Netz gesellschaftliche Debatten geführt werden und dort der Meinungsbildungsprozess stattfindet, dann dürfen digitale Gewalt, Hass und Hetze nicht dazu führen, dass Menschen sich zurückziehen und nicht mehr an öffentlichen Debatten teilnehmen. Dafür muss der Staat Sorge tragen.

Das reine Löschen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz reicht dafür nicht aus. Es bedarf auch einer effektiven Strafverfolgung. Das haben wir bereits im November 2018 in unserem Antrag „Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterentwickeln – Nutzerrechte stärken, Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken sicherstellen“ deutlich gemacht. Allerdings versucht die Bundesregierung jetzt mit ihrem (geleakten) Referentenentwurf zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets, ihre Versäumnisse bei einer Überarbeitung des NetzDG zu kaschieren, und schießt dabei deutlich über das Ziel hinaus.

Strafverfolgungsbehörden sollen auf Antrag die Herausgabe von Passwörtern von Internetdiensten verlangen können. Inzwischen sind erste Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser vorgeschlagenen Regelungen aufgekommen. Ich habe deswegen bei der Bundesregierung nachgefragt, welches Referat im BMJV die Verfassungsmäßigkeit geprüft hat und zu welchem Schluss man da gekommen ist, denn solche tiefgreifenden Maßnahmen dürfen nicht mal eben so nebenbei beschlossen werden. Zudem interessiert mich die Bewertung des Bundesdatenschutzbeauftragten brennend. Die Justizministerin betont zwar immer wieder, dass sie einen Richtervorbehalt für notwendig erachtet. Aus dem Referentenentwurf geht das aber nicht hervor.

Der Knackpunkt bei der Meldepflicht, die die Bundesregierung vorschlägt, liegt vor allem in der verpflichtenden Weiterleitung der digitalen Identifikationsmerkmale, wie zum Beispiel der IP-Adressen, Portnummern und Passwörter. Ich bin skeptisch, ob diese verpflichtende Weiterleitung der digitalen Identifikationsmerkmale der richtige Weg ist und nicht im Widerspruch zu unseren Vorstellungen von einer staatlichen Rechtsdurchsetzung steht. Denn es sind Privatunternehmen, die hier eine rechtliche Einschätzung vornehmen, noch bevor eine zuständige staatliche Stelle wie eine Staatsanwaltschaft die Lage beurteilt. Und auf Grundlage dieser Einschätzung von Privatunternehmen werden die digitalen Identifikationsmerkmale mit den Meldungen dem BKA zugeleitet. Dass eine massenhafte staatliche Datenerhebung zur Strafverfolgung zentral von der Rechtseinschätzung von Privatunternehmen abhängt, ist ein Novum, und ich finde es fraglich, ob wir Privatunternehmen eine solche zentrale Rolle zuweisen wollen. Es ist zudem völlig unklar, was mit den hunderttausenden Datensätzen beim BKA passiert. Von einer Löschfrist habe ich jedenfalls nichts gelesen. Das wäre dann die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür. Ich bezweifle, dass dies der Vorstellung einer bürgerrechtskonformen staatlichen Rechtsdurchsetzung entspricht.

Teile diesen Inhalt:

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld