Rede im Bundestag zur Generaldebatte/ Haushalt des Bundeskanzleramts 10.09.2014

Es gilt das gesprochene Wort. Die Rede können Sie auch hier als Video ansehen.

Frau Präsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir leben in bewegten Zeiten. Kultur und Medien sollen uns – gerade in solchen Zeiten – zum Reflektieren anregen und aktuelle Geschehnisse einordnen. Sie stehen aber selbst vor einem Umbruch. Eine der größten Herausforderungen ist derzeit das Handelsabkommen TTIP. Eigentlich sollen Kultur und audiovisuelle Medien ausgenom¬men sein. Aber wer kann da –  bei so intransparenten Verhandlungen – heute noch sicher sein?

Deshalb frage ich Sie, Frau Staatsministerin: Was ist tatsächlich mit unseren Kulturgütern, die die Amerikaner nur als Wirtschaftsgüter betrachten? Was ist mit der Buchpreisbindung? Mit der staatlichen Filmförderung? Dem Schutz der Urheber? Mit dem öffentlich-rechtliche Rundfunk? Wir sagen ganz klar: Europäische Kulturstandards dürfen Handelsinteressen nicht geopfert werden!
Natürlich gibt es Befürchtungen der Kreativen in Deutschland. TTIP soll den Markt liberalisieren und Subventionen und Preisbindungen beseitigen, die den Wettbewerb verzerren könnten. Und dann wird deutlich, gegen wen wir hier antreten: Giganten wie Amazon haben ein Interesse daran, europäische Standards zu mindern. Zuletzt hat Amazon mit seinem erpresserischen Vorgehen gezeigt, welche Ambitionen es verfolgt.

Buchpreisbindung, Urheberrecht, Filmförderung – all dies sind für solche Konzerne europäische Sonderlinge, die dem Absatz im Weg stehen. Aber für uns sind Kultur und Medien eben nicht nur Ware. Sie sind elementar für eine vielfältige, innovative und demokratische Gesellschaft. Sie bieten uns in bewegten Zeiten Halt, und deshalb ist es unsere Aufgabe, sie zu schützen!

Die Staatsministerin ist sehr spät auf den fahrenden Protestzug aufgesprungen. Die französischen Kollegen haben sich früher und engagierter für die Ausnahmen eingesetzt. Wir fordern die Bundesregierung auf: Ziehen Sie die Notbremse! Binden Sie die Akteure ein und sorgen Sie für Transparenz!

Auch die Deutsche Welle steht vor bewegten Zeiten. Die Umstrukturierung des Senders ist besorgniserregend. Der Intendant will den BBCs und CNNs dieser Welt Konkurrenz machen, muss aber gleichzeitig sparen.
Die Inhalte sollen multimedial sein und zugleich soll das Fernsehprogramm gestärkt werden. Das ist so, als wolle man vorwärts und rückwärts gleichzeitig laufen.

So ein Lauf ist nicht nur sinnlos. Er kostet auch Kraft. Über 200 der 3.000 Mitarbeiter stehen bereits auf der Straße. Ist das noch sozial verträglich?
Und was ist mit den angekündigten Umschulungen? Mitten in der Umstrukturierung werden viele Mitarbeiter im Regen stehen gelassen. Das können wir nicht dulden!

Noch ein paar Worte zum Film: Die Staats¬ministerin ist dabei, sowohl Erbe als auch Zukunft des deutschen Films zu verspielen. Unser Filmerbe besteht aus zehntausenden Filmrollen. Diese müssen digitalisiert werden, um sie zu bewahren. Aber für die Million, die 2014 zur Verfügung gestellt  wurde und im Juli schon aufgebraucht war, wurden gerade mal 74 Filme digitalisiert. 74! Für 2015 ist diese Million wieder gestrichen. Vor allem fehlt mir aber ein Konzept, wie wir das Filmerbe dauerhaft retten können. Das muss – wie Vieles andere auch – dringend angegangen werden!

Und die Zukunft des Films – kürzen Sie sukzessive ein. 2013 gab es 70 Millionen für den Filmförderfonds, dieses Jahr 60 Millionen, und für nächstes Jahr sind – trotz gegenteiliger Ankündigungen – nur noch 50 Millionen eingeplant. Wenn das so weitergeht, haben Sie 2020 den Filmförderfonds abgewickelt.

Die Förderung deutscher Produktionen ist nicht nur kulturell von Wert, sondern auch wirtschaftlich: Jeder investierte Euro bringt 6 Euro für die Wirtschaft. Und wenn wir dann noch offen und ehrlich die Vergabe der Gelder evaluieren, hätten wir richtig was für den Filmstandort Deutschland getan.
Wir sollten der Kultur und den Medien gute und verlässliche Partner sein. In unruhigen Zeiten zeigt sich, auf wen man sich tatsächlich verlassen kann.

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