Haushaltsrede zur Pressekrise in der Debatte zum Kanzleramtsetat – Berlin, 21. November 2012

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Dr. Koppelin, wir mosern nicht die ganze Zeit herum. Auch wir begrüßen natürlich den Aufwuchs des Kulturetats. 100 Millionen Euro mehr sind eingestellt worden und vor allen Dingen, dass Sie unserer Forderung, die Mittel der Kulturstiftung des Bundes zu erhöhen, nachgekommen sind. Das finden wir wirklich gut.

Aber Siggi Ehrmann und Luc Jochimsen haben schon darauf hingewiesen es geht darum, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist. Hierzu möchte ich Ihnen die Frage stellen, Herr Dr. Koppelin: Wie passt es mit dem demokratischen Verständnis dieses Hauses zusammen, wenn mal eben in einer Last-Minute-Entscheidung 10 Millionen Euro für ein sudetendeutsches Museum eingestellt werden, ohne den Kulturausschuss zu beteiligen und ohne darüber dort zu beraten? Das müssen Sie mir einmal erklären.

Das ist nicht transparent, sondern undemokratisch. Das muss man, denke ich, deutlich sagen.

Ich will mich heute aber vornehmlich mit einem anderen wichtigen Thema beschäftigen, das für unsere Demokratie ebenso elementar ist und das von der Bundesregierung ziemlich vernachlässigt wird. Zu diesem Thema wird hier leider auch nicht geredet. Es geht um die Medien.

Vlothoer Anzeiger, Deister-Leine-Zeitung, Abendzeitung Nürnberg – das sind nur drei von insgesamt elf Zeitungen, die seit Beginn Ihrer Regierungszeit Pleite gegangen sind oder ihre Hauptredaktionen geschlossen haben. Vergangene Woche eine neue Schreckensmeldung: Die Frankfurter Rundschau hat Insolvenz angemeldet.

Ob die Financial Times Deutschland überleben wird, entscheidet sich noch. Es besteht zwar kein direkter Zusammenhang zwischen Ihrem Regierungsantritt und dem Zeitungssterben, aber fest steht: Sie haben in den drei Jahren wenig unternommen, um die Pressekrise abzuwenden.

Im Kulturausschuss sagte Kollege Müller-Sönksen, dass die Koalition mit dem Leistungsschutzrecht und den Änderungen zum GWB genug für die Medienvielfalt getan habe.

Da kann ich nur feststellen: Das sind gleich zwei Insolvenzen auf einmal die der Frankfurter Rundschau und die Bankrotterklärung schwarz-gelber Medienpolitik.

Nichts von dem, was Sie getan haben oder was Sie noch vorhaben, hätte die Frankfurter Rundschau gerettet, auch nicht das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Denn die Probleme der Frankfurter Rundschau liegen nicht im Onlinebereich, sondern im Printbereich.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Bei der SPD liegen die!)

Das Leistungsschutzrecht ist ein rückwärtsgewandtes Gesetz, das nicht den kleinen Verlagen, nicht der Nürnberger Abendzeitung und schon gar nicht den Journalisten in der Krise helfen wird. Es belohnt und entlohnt den Boulevardjournalismus im Netz. Es ist ein Wahlgeschenk an die großen Verlage, allen voran an Springer. Sie haben die Betroffenen glauben lassen, dass sie nur ein Stück von dem großen Kuchen bräuchten, dann würde alles gut werden. Die kleinen Verlage werden aber kaum davon profitieren, und am Ende zahlen sie noch drauf, wenn zum Beispiel Google ihre Angebote nicht mehr listet. Daher frage ich Sie: Wie, bitte, soll das Leistungsschutzrecht die Medienvielfalt erhalten?

Das andere Projekt der Bundesregierung sind die Änderungen im Kartellrecht. Durch die Lockerung der Pressefusionskontrolle können größere Verlage ihre kleineren Mittbewerber noch einfacher schlucken. Fusionen waren schon vorher möglich, nur mussten sie geprüft werden. Jetzt geht das ganz geräuschlos, und der Wettbewerb zwischen den Blättern wird durch einen Einheitsbrei ersetzt. Das, meine Damen und Herren, ist einfach das Gegenteil von Medienvielfalt.

Vor allen Dingen wird aber herumreguliert, ohne zu wissen, was überhaupt notwendig ist. Weder Kartellamt noch Monopolkommission haben einen Anlass für eine Änderung im Kartellrecht gesehen. Weil kaum Daten über den Pressemarkt vorliegen, wird einfach so im Nebel herumgestochert. Daher fordern wir eine Mediendatenbank. Die vorgelegte Studie ist das nicht; sie muss zu einer echten Datenbank weiterentwickelt und regelmäßig aktualisiert werden. Sehr geehrter Herr Neumann, Sie haben das bis jetzt immer abgelehnt. Ich hoffe, Sie ändern noch Ihre Meinung, im Sinne einer fundierten Medienpolitik.

In der Krise müssen wir uns trauen, neue Wege zu erdenken. Denn gerade die Presse ist ein sehr diffiziles Gut, grundlegend für unsere Demokratie und staatsfern organisiert. Wir können und wollen Verlage nicht einfach subventionieren oder ihnen Geschäftsmodelle diktieren; das ist völlig klar. Aber es braucht mehr als Geschenke an die großen Verlage, um vor allem die Medienvielfalt, also auch die lokalen und regionalen Redaktionen zu erhalten. Stiftungsmodelle und die Förderung der Weiterbildung von Journalisten sind in der Diskussion; darüber muss man weiter diskutieren.
Wir müssen uns aber auch Gedanken über die Zukunft des Journalismus an sich machen, darüber, wie dieser zukünftig finanziert werden kann, wie Journalisten von ihrer Arbeit leben können. Zum Beispiel brauchen wir dringend Änderungen im Urhebervertragsrecht, Herr Börnsen, und da hat die Regierung bisher versagt.

Uns Medienpolitiker eint doch eines: Wir betonen immer wieder, dass die Medien eine wichtige Stütze der Demokratie sind. Wenn die Medien die Säule sind, dann ist die Lokalpresse der Fuß der Säule. Die Lokalpresse ist der Ort, an dem viele Journalisten ausgebildet werden; sie informiert die Menschen vor Ort über die Politik in ihrer Stadt oder ihrem Kreis.

Wir dürfen das Pressesterben nicht einfach hinnehmen. Die Lage ist brenzlig, aber es ist noch nicht zu spät. Sie haben noch knapp ein Jahr, um endlich Bewegung in die Sache zu bringen. Tun Sie es, sonst machen wir es!

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