Breitband: Bundestagsrede zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) – Rede vom 27. 10. 2011

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen,

wie die Jungfrau das Kind haben wir am Dienstagabend (!) Ihre Texte für die Beratungen zum Telekommunikationgesetz bekommen. Das ist nicht nur inakzeptabel, sondern auch völlig unnötig. Denn Eile ist überhaupt nicht geboten. Offensichtlich sollen hier weitreichende Änderungen im Schweinsgalopp durchgepeitscht werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Was aber noch viel schlimmer ist: das Verfahren trägt der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und netzpolitischen Bedeutung dieses Gesetzes in keinster Weise Rechnung.

Die Koalition gibt mit diesem Gesetz eine Absage an ein Recht auf Breitband für alle und hat dabei noch mal eben den erforderlichen Schutz der Grundrechte versenkt. Und die FDP macht das mit, nur um einen Universaldienst zu verhindern, den die CSU eigentlich wollte. Damit haben die Bürgerinnen und Bürger gleich zwei Mal verloren. Armes Deutschland!

Und wenn die FDP immer noch glaubt, der Markt regele alles, dann beweist gerade die Breitbandversorgung das Gegenteil: Fast eine halbe Million Haushalte verfügt nicht mal über einen Internetanschluss von einem Megabit pro Sekunde. Da frage ich mich, ob Ihr Bundestrojaner es über solch langsame Leitungen überhaupt in die Rechner schaffen würde.

Im Ernst: Ohne mindestens ein Mbit ist Home-Office – heute eine Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – nicht möglich, genauso wenig wie die Direktvermarktung kleiner Betriebe. Und Grundstückspreise verlieren ohne Breitbandanschluss an Wert.

Aber vor allem braucht Deutschland für die Wirtschaft eine leistungsstarke und moderne Infrastruktur. Statt neuer Straßen brauchen wir den Ausbau der Datenautobahn. Das ist sinnvoll!

Investition in Breitband ermöglicht eine klassische „win-win“-Situation:
Die OECD sagt, dass in den wirtschaftlich hochentwickelten Staaten die Breitband-Kommunikation ein Drittel des Produktivitätszuwachses ausmacht. Hier geht es also nicht darum, irgendwelche Geschenke zu verteilen, sondern Deutschland als Wirtschaftskraft zu stärken. Breitband ist schlichtweg ein Standortfaktor.

In Sachen Glasfaser jedenfalls spielt Deutschland höchstens in der Kreisklasse. Während in Schweden schon ein Viertel der Haushalte Glasfaser hat und Südkorea fast zu 100 Prozent, sind es in Deutschland nicht einmal zwei Prozent.

Das ist kein gutes Zeichen und sagt einiges aus über die Rolle, die das Internet beim einstigen Exportweltmeister spielt. So wird das nichts mit der High-Tech-Strategie von Frau Merkel. Das ist eher eine Slow-Motion-Strategie!

Sie nennen immer nur Ziele, aber schweigen über den Weg dahin:
Sie hatten das Ziel, 2010 alle Haushalte mit 1 Mbit anzuschlie§en Рdas Ziel wurde nicht erreicht.
Jetzt haben Sie das Ziel, 2015 alle Haushalte mit 50 Mbit/s zu versorgen. Aber wie? Und vor allem, wie soll das finanziert werden? – Das bleibt ihr Geheimnis. Aber wenn ihre Ziele so schnell wechseln wie die zuständigen Minister, dann kann man leider auch nicht mehr erwarten.

Wir wollen den Glasfaserausbau schneller voranbringen. Daher brauchen wir neben der verpflichtenden Verlegung von Leerrohren gezielte finanzielle Anreize, wie zum Beispiel die Förderung von Open Access.

Für eine Grundversorgung fordern wir einen Universaldienst. Jeder Haushalt soll ab 2013 ein Recht auf einen Anschluss mit einer Bandbreite von 6 Mbit/s haben. Dass dies juristisch machbar, wirtschaftlich sinnvoll und EU-rechtskonform ist, haben wir in einem Gutachten prüfen lassen.

Damit haben wir die Hausaufgaben gemacht, die von der Koalition eigentlich zu erwarten sind. Mit Ihrem Gesetzentwurf  werden Sie die weißen Flecken jedenfalls nicht schließen!
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Verbraucherschutz sagen:

Das großangekündigte Versprechen einer kostenlosen Warteschleife wird nicht gehalten. Ab Anfang 2013 sollen nur die ersten zwei Minuten für Anrufer kostenfrei sein.
Dabei gehört eine lange Warteschleife bei vielen Anbietern zum Geschäftsmodell. Wir fordern daher: «Warteschleifen müssen ohne Wenn und Aber kostenfrei sein!“

Stattdessen gibt es ein mehrstufiges Kostenmodell, Warteschleife ohne Rechnung bleibt auch in Zukunft eher die Ausnahme.

Und zu den Tarifkonditionen: Wir vermissen einen verbraucherfreundlichen Ein-Jahres-Grundtarif und ein einmonatiges Sonderkündigungsrecht. Aktuell stehen die VerbraucherInnen vor einem Dschungel an Tarifen mit vielen Tücken im Kleingedruckten.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Bundesregierung setzt mit dieser Vorlage die Vorgaben europäischer Richtlinien zur Telekommunikation um, leider aber auch nicht mehr. Dabei hätten Sie die Chance gehabt, mit uns gemeinsam ein modernes und zukunftsgerichtetes Gesetz vorzulegen und Breitband für alle zu ermöglichen. Schade, dass Sie das nicht wollen!
Vielen Dank!

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