Gewählte müssen entscheiden: Text für Forum Kommunal zur Einflussnahme auf kommunale Gesellschaften

„In den 70er Jahre haben wir noch über jede Preiserhöhung für den Stadtbus im Parlament abgestimmt – das gab heiße Diskussionen“, erinnert sich der ehemalige Wiesbadener Oberbürgermeister Achim Exner in einem Zeitungsinterview. Die Zeiten sind vorbei. Die Mehrzahl der städtischen Aufgaben ist ausgegliedert – in Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder sogar in Aktiengesellschaften. Das erleichtert die Verwaltung, bringt aber Probleme mit der Mitbestimmung mit sich.

Einen Stapel Papier, mit dem sich zwei oder drei Leitzordner füllen ließen, erhält jede Mainzer Stadträtin und jeder Stadtrat zur jeweils nächsten Sitzung. Sich da durchzuarbeiten, ist eigentlich Pflicht, um der aufgetragenen Kontrollaufgabe mit der letzten Gewissheit nachzukommen. Doch für hauptberufliche LehrerInnen, ÄrztInnen oder Angestellte ist das kaum immer zu leisten. Deswegen kommt kaum einer daran vorbei, sich in Detailfragen auf die fachpolitische Sprecherin oder den fachpolitischen Sprecher zu verlassen.

So gesehen wäre es ein Segen, dass Entscheidungen über Fahrpläne oder eben Preise aus dem Aufgabenpaket genommen sind. Aber darf es eine StadträtIn so sehen? Ist es nicht doch immer noch öffentliches Geld mit dem hier gearbeitet wird? Und müssen in einer Demokratie nicht Gewählte darüber entscheiden – statt eingestellte GeschäftsführerInnen und ProkuristInnen?

Ein über ein SPD-Ticket ins Mainzer Rathaus geratene Angestellter pflegte dieses Dilemma immer wegzuwischen mit den Worten: „So lange es den Leuten dabei gut geht…“ Und schaut man sich das gewählte Beispiel an, ist es ja so – die Menschen in Mainz erhalten ein gut ausgestattetes öffentliches Nahverkehrsnetz zu einem vertretbaren Preis. Also alles gut?

Das nun nicht. Denn Ausnahmen rechtfertigen ein schlecht eingerichtetes System eben nicht. Wie sich (Fehl)-Entscheidungen von GeschäftsführerInnen und ProkuristInnen auswirken können, haben gerade die Menschen in Mainz vor der Kommunalwahl 2009 bitter zu spüren bekommen. Da war zum einen die Wohnbau. Angeführt von einem feudal agierenden Geschäftsführer wurde Geld in riskanten Finanzgeschäften verzockt. Angestiftet von einem Stadtvorstand, der aus einer übergroßen Koalition von CDU, SPD und FDP gebildet wurde, ist das Unternehmen Prestigeprojekte angegangen, die es nicht stemmen konnte. Das Ende vom Lied. Die Stadt musste mit 300 Millionen Euro aushelfen, damit die Wohnbau nicht zahlungsunfähig wird.

Das andere Beispiel ist das geplante Kohlekraftwerk. Drei Geschäftsführer, ein Oberbürgermeister samt der übergroßen Koalition haben es angeschoben, die Medien haben das Riesenprojekt weitgehend ignoriert. Erst als fachkundige und engagierte Bürgerinnen und Bürger darauf aufmerksam gemacht haben, entwickelte sich ein Bewusstsein und ein politischer Umschwung.

Und eine absurde Situation: Bauen wollte die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW). Die gehört den Stadtwerken Mainz und Wiesbaden, die wiederum mehrheitlich den beiden Städten. In deren Parlamenten gab und gibt es eine Mehrheit gegen den Bau – doch die KMW wollte trotzdem bauen. Mittlerweile gibt es nicht mal mehr eine Finanzierung und die Gewinnversprechen sind nur noch ein Bruchteil so hoch wie Dezember 2004 – als der Bau zum ersten Mal vorgestellte wurde. Und trotzdem kann die KMW den Bau nicht einfach abblasen. Das Aktienrecht steht mit seinen verschiedenen Auflagen im Weg.

Die Linken machen es sich – wie immer – einfach. Sie fordern eine komplette Rückführung öffentlicher Unternehmen in Stadthand. Doch so einfach ist das nicht. In klammen Kommunen – und Mainz ist Dank jahrzehntelanger Misswirtschaft eine mehr als klamme Kommune – greifen auch Auflagen des Haushaltsrechts. Sie dürfen sich nicht grenzenlos verschulden. Sie müssen Aufgaben kostendeckend gestalten. Würde die Stadt Mainz die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) in die Stadt zurück gliedern, könnte ein Defizit als „freiwillige Leistung“ gewertet werden. Rund 15 Millionen Euro Defizit erwirtschaftet die MVG im Jahr. Das würde die Finanzaufsicht ADD der Stadt nie genehmigen. Auch die Anschaffung eines jeden neuen Busses müsste durch den Stadtrat und wäre folglich unmöglich. Eine wie von den Linken geforderte, vollständige Rekommunalisierung würde die meisten Städte in Rheinland-Pfalz lahmlegen.

Verschwendung wie bei der Wohnbau, Entscheidungen an der Mehrheit vorbei wie beim Kohlkraftwerk darf es aber auch nicht geben. Die wichtigste politische Forderung ist daher Transparenz. Vor der Kommunalwahl 2009 – bei der wir GRÜNE auch wegen des Kohlekraftwerks und der Wohnbau 21,9 Prozent gewonnen haben – war die KMW höchst intransparent. Der Informationspflicht kam das Unternehmen nur mangelhaft nach, hielt Auskünfte nur für ausgewählte JournalistInnen parat. Und selbst Mitglieder des Stadtrates wurden nicht oder gezielt falsch informiert – mit Hinweis auf das Aktienrecht. Stadtnahe Gesellschaften müssen aber zu transparentem Wirtschaften verpflichtet werden.

Der zweite Punkt ist der politische Zugriff. Die Abgeordneten müssen freien Zugang zu Informationen haben. Und sie müssen – zumindest bei Grundsatzentscheidungen – ein Votum haben. Bisher geht das nur über Mitglieder der Aufsichtsräte und über Dezernenten, die in ihren jeweiligen Funktionen Einfluss auf die stadtnahen Gesellschaften haben. Für uns GRÜNE ist es relativ leicht, da sich unsere VertreterInnen an Fraktionsbeschlüsse gebunden fühlen. Doch auch da gilt: Regelungen müssen so sein, dass sie keine guten Ausnahmen bedürfen – sondern von alleine funktionieren. Das wird im bestehenden Recht kaum zu machen sein. Das Recht entsprechend zu ändern, wird Aufgabe auf Landes- und Bundesebene sein.

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