Bundestagsrede zur Medienpolitik – Berlin am 17.03.2010

– es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

da wir hier die ganze Woche über Zahlen diskutieren, habe auch ich eine mitgebracht: 15.

15 ist die Zahl der Pressemitteilungen, die die Fraktionen von CDU/CSU und FDP gestern versandt haben. Insgesamt 2.054 Pressemitteilungen waren das im vergangenen Jahr. Offensichtlich haben Sie großes Vertrauen in die Medien und darauf, dass diese ihre Botschaften an die Bürgerinnen und Bürger weitertragen.

Umso erstaunlicher ist es, dass Ihnen die Medien jenseits Ihrer Pressearbeit so wenig Anstrengungen wert sind: Die Heimat all Ihrer Pressemitteilungen ist in Not – und Sie schauen tatenlos zu!

Wir brauchen aber ein breites und unabhängiges Medienangebot. Denn dies ist  ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Demokratie. Und wir Grüne wollen mündige Bürgerinnen und Bürger. Auch darum brauchen wir einen leichten Zugang zu Informationen: ohne Einschränkungen oder Barrieren, Online wie Offline.

Der schnelle oder überhaupt ein Zugang zum Internet fehlt aber in ganzen Landstrichen. Wenn Sie, Herr Brüderle, die Verlegung moderner Kabelleitungen feiern, bringt das nur wenig, wenn die Leitungen nicht bis an die Häuser reichen. Sonst ist das wie eine ICE-Strecke ohne Bahnhöfe: Man kann nicht zusteigen – und verpasst den Anschluss!

Neben dem Zugang zu Information muss uns ein weiteres zentrales Anliegen die Medienkompetenz sein. Und da müssen wir bei Kindern und Jugendlichen anfangen.

Zwar finden sich über den Haushalt verteilt einige Projekte zur Medienkompetenz, die gefördert werden, aber das sind zumeist nur große Vorzeigeprojekte. Und das ist uns zu wenig!

Wo bleibt die Förderung der kleinen Initiativen, die Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die digitale Welt erklären? Wir haben verstärkte Maßnahmen unter einem solchen Haushaltstitel gefordert – ohne Erfolg! Und obwohl der Bereich Medien eh schon mit einem sehr schmalen Budget ausgestattet ist, wird ausgerechnet hier noch weiter gekürzt!

Auch beim Posten „Kulturelle Vermittlung“ drängt sich der Verdacht auf, dass nur wenige Prestige-Projekte unterstützt werden, die vor allem einen Zweck erfüllen sollen: Öffentlichkeitswirksam zu zeigen, dass sich auch der Beauftragte für Kultur und Medien um Kulturelle Bildung bemüht.
Gleichzeitig tut die Regierung nichts, um die kleinen Einrichtungen zu retten, die dem Sparzwang der Kommunen zum Opfer fallen – ein möglicher Ausweg wäre da die grüne Idee eines KfW-Sonderprogramms „Kulturfinanzierung“ . Aber das wollen Sie nicht!

Die Lösung für eine weitere Krise fehlt Ihnen ebenfalls: die der Presse. Da hat Ihnen die Verlegerlobby das Leistungsschutzrecht in den Koalitionsvertrag diktiert. Doch wie es aussehen soll – weiß keiner so genau. Und offenbar wissen nicht einmal Sie, meine Damen und Herren der Koalition, ob sie es denn überhaupt noch wollen.  Und selbst wenn es diesen Verlegerschutz geben sollte, er wird die Presse nicht retten. Nicht ein Tropfen, nicht ein Tröpfchen, höchstens ein Nanotröpfchen auf den heißen Stein wäre das. Die Presse stirbt – und Sie schauen zu!

Unsere Demokratie aber braucht starke unabhängige Medien, sie informieren, sie kritisieren und sie tragen zur gesellschaftlichen Debatte bei. Unabhängige Medien sind kein Luxus, den wir uns leisten, sie sind geistiges und gesellschaftliches Grundnahrungsmittel. Ihre Glaubwürdigkeit ist das Fundament, auf das sie bauen.

Dieses Fundament dürfen wir nicht unterhöhlen, wie es im Fall Brender beim ZDF geschehen ist: Mit dieser Personalentscheidung wurde offensichtlich, dass der Staat hier auf das Programm zugreift. Das aber widerspricht der Rundfunkfreiheit, die im Grundgesetz verankert ist, fundamental!

Was haben Ministerpräsidenten, Staatssekretäre und Vertreter der Bundesregierung im Fernsehrat des ZDFzu suchen? Ich meine: Nichts!

Und Sie, Herr Neumann, wenn Sie schon als Regierungsvertreter Mitglied im Verwaltungsrat sind: Schauen Sie nicht tatenlos zu, wenn ein unabhängiger Journalist gegangen wird!

Auch wenn der Rundfunk Ländersache ist: Wir Bundestagsabgeordnete stehen hier in der Pflicht, und zwar in der Pflicht, die Verfassung zu wahren: Wir haben als Abgeordnete die Möglichkeit, einen Normenkontrollantrag zu stellen.

Wir GRÜNE wollen daher den ZDF-Staatsvertrag beim Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. Jeder von Ihnen kann sich diesem Antrag anschließen und zeigen, dass ihm die Unabhängigkeit der Medien etwas wert ist. Ich lade Sie alle ein, den Antrag zu unterschreiben. So senden wir gemeinsam ein starkes Signal nach Draußen: Für einen starken unabhängigen Rundfunk.

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