Das Schienenlärmschutzgesetz wird ausgesetzt und keiner soll es merken

Zur Antwort des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf die Schriftliche Frage zum Inkrafttreten des Schienenlärmschutzgesetzes (SchlärmschG) erklärt die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete und Mitinitiatorin der Parlamentsgruppe Bahnlärm Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

„Über die Entscheidung, warum das Bundesverkehrsministerium trotz des am 13. Dezember 2020 in Kraft getretenen Schienenlärmschutzgesetzes eine Sanktionierung von Verstößen zunächst aussetzen wird, würde ich gerne sachlich streiten. Doch einmal mehr ärgere ich mich über die einseitige und unvollständige Informationspolitik, die von Minister Scheuer und Staatssekretär Ferlemann betrieben wird.

Denn was eine breite Öffentlichkeit ist, dazu haben sie eine spezielle, eine ganz eigene Auffassung. Das macht die Antwort auf meine Schriftliche Frage deutlich. Eigentlich sollte das Gesetz ein Erfolg für die vom Bahnlärm geplagten Menschen sein. Ihr Engagement richtet sich nicht gegen die Bahn als Verkehrsträger, der so dringend für eine echte Verkehrswende gebraucht wird. Sie wollen sich schlichtweg ein Stück Lebensqualität zurückerkämpfen. Wenn konkrete und vor allem wirksame Maßnahmen ergriffen werden, steigt auch die Akzeptanz für die Bahn. Und genau das kann das Gesetz leisten. Deshalb ist es ein Unding, diese Menschen von einer solch folgenreichen Entscheidung nicht einmal zu unterrichten. Es reicht eben nicht, auf ein Informationsschreiben zu verweisen, das an die Länder und den Eisenbahnsektor gegangen ist. Dieses Verhalten zeugt leider wieder einmal davon, dass man im Ministerium weder die vom Bahnlärm betroffenen Menschen und die zahlreichen Initiativen noch die sie unterstützenden Parlamentarier als Mitgestalter auf Augenhöhe begreifen möchte.

Ich rate dem Bundesverkehrsministerium dringend, den vom Bahnlärm geplagten Menschen nicht immer nur zu beteuern, dass sie ernstgenommen würden. Entscheidend ist, sie tatsächlich ernst zu nehmen. Mit ihnen zu kommunizieren, ist der erste Schritt. Es darf deshalb nicht sein, dass den Herren Scheuer und Ferlemann immer wieder alles aus der Nase gezogen werden muss. Und noch weniger darf es sein, dass einem vielversprechenden Gesetz die Zähne gezogen werden.“

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  1. L. Steininger

    Dass ein Minister Recht und Gesetz verpflichtet ist, verspricht er eigentlich mit seinem Amtseid. Aber was Amtseide (nicht mehr) wert sind, sieht man schon in den USA.

    Erstaunlich finde ich, dass es Minister Scheuer nicht mal für nötig hält, ernsthaft zu begründen, weshalb er meint, dass er einfach die Sanktionen eines vom Bundestag beschlossenen Gesetzes aussetzen kann. Denn die Ausrede „Corona“ ist ja wohl das dämlichste, was dem Andi eingefallen ist. Oder soll die Ausrede nur bis zur BT-Wahl im Herbst „reichen“ und erst sein Nachfolger dann mit der Wahrheit rausrücken müssen, dass die Aussetzung des Gesetzes eben der einfachste Weg ist, sich das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission bis 2024 vom Hals zu halten?

    Dass es dem Andi so leicht gemacht wird, sich pber Recht und Gesetz hinwegzusetzen und damit zu demonstrieren, dass das Leben der Bahnanlieger keinen Cent wert ist, ist leider vor allem auf die „vornehme Zurückhaltung“ der grünen Partei in der ganzen Periode geschuldet. Denn durch ihr stillschweigendes Zustimmen hat sie es der GroKo ermöglicht, den Schienenlärmschutz in dieser Periode ohne große Diskussion im Bundestag drastisch zurückzufahren. Das im Wahlkampffieber ausgebrochene plötzliche Interesse der Grünen und von Frau Rössler an den Millionen, die neben den Gleisen wohnen müssen, ist leider völlig unglaubwürdig.

    Umgekehrt würde ein Schuh draus: wenn es die Grünen nicht gäbe, wäre es an die Schienen wesentlich leiser, weil dann weniger warme Luft sinnlos durch die Gegend gefahren würde.

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    • Buero_Berlin

      Sehr geehrter Herr Steininger,

      vielen Dank für Ihren Kommentar – auch wenn ich Ihnen in Teilen doch sehr deutlich widersprechen muss.

      Zunächst einmal verlange auch ich vom BMVI eine Konkretisierung der Begründung, warum Verstöße gegen das gerade erst in Kraft getretene Schienenlärmschutzgesetz ausgesetzt werden. Natürlich befinden wir uns alle pandemiebedingt – auch und gerade die Transport- und Logistikbranche – in einer Ausnahmesituation. Aber dann sollte das Ministerium auch in der Lage sein, diese Probleme ganz konkret zu benennen. Da bleibe ich auch dran.

      Ich widerspreche aber ausdrücklich Ihrer Meinung, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würden sich beim Thema Bahnlärm zurückhalten. Genauso wenig haltbar ist Ihre Unterstellung, das Engagement gegen Verkehrslärm sei nur Wahlkampffieber geschuldet. Machen Sie sich doch, bevor Sie so etwas behaupten, kundig und recherchieren Sie erst einmal. Das Internet bietet alle Möglichkeiten. Da würden Sie dann sicher darauf stoßen, dass ich mich bereits vor meinem ersten Mandat als Bundestagsabgeordnete 2009 schon viele Jahre gegen Fluglärm starkgemacht habe. Denn von dem bin ich selbst betroffen. Und daher rührt der unbedingte Wille, mich auch für die vom Bahnlärm betroffenen Menschen einzusetzen. Was sie tagtäglich auszuhalten haben, ist nicht hinnehmbar. Oft genug war ich selbst vor Ort. Auch deshalb habe ich mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen vor inzwischen sieben Jahren die interfraktionelle Parlamentsgruppe Bahnlärm gegründet.

      Ich sehe es als meine Pflicht als Abgeordnete, Regierungshandeln kritisch zu begleiten – und das bis zum letzten Tag meines Mandats. Zumal ich Sie daran erinnern möchte, dass nicht ich den Zeitpunkt der Aussetzung der Sanktionen zu verantworten habe, sondern noch immer Herr Scheuer.

      Ich hatte eigentlich auch den Eindruck, dass Sie durch Ihre gute Vernetzung mit anderen gegen Bahnlärm Engagierten über meine Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen an Rhein und Mosel und über die gemeinsamen Erfolge besser informiert sind. Zumindest legt das der Mailwechsel und die zahlreichen Telefonate mit uns in der Vergangenheit nahe. Über Ihre Einbringungen waren wir auch immer sehr dankbar. Jedoch haben wir Sie auch darauf hingewiesen, dass mein Arbeitsschwerpunkt im Bundestag ein anderer ist, ich nicht mehr Mitglied im Verkehrsausschuss bin und mich dem Bahnlärm naturgemäß vor allem in Rheinland-Pfalz widme. Und auch wenn ich von Bürgerinnen und Bürgern aus dem gesamten Bundesgebiet angeschrieben werde und ich ihnen allen gerne helfen würde, sind die Ressourcen begrenzt, jedem Anliegen nachzugehen. Gerne kann ich Ihnen auch den Kontakt zu meinen bayrischen Kolleginnen und Kollegen herstellen.

      Es gibt viele Menschen entlang der Bahngleise, die mein Engagement richtig einzuschätzen wissen. Und mit diesen ist die Zusammenarbeit auch von gemeinsamen Erfolgen gekrönt. Das Schienenlärmschutzgesetz ist einer dieser Erfolge. Und deshalb ist es mir selbstverständlich ein besonderes Anliegen, dass dieses Gesetz vollumfänglich Anwendung findet und eben nicht zahnlos wird. Dafür setze ich mich weiterhin ein.

      Herzliche Grüße
      Tabea Rößner

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