STOPP Ramstein! Rede von MdB Tabea Rößner auf der Kundgebung

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

Waziristan – das ist eine Bergregion im Nordwesten Pakistans, an der Grenze zu Afghanistan. Die Region ist unwegsam und nur schwer zu erreichen, die Menschen dort leben überwiegend von der Landwirtschaft. Der Ertrag daraus reicht oftmals nicht aus, die Familie zu ernähren. Erdbeben, Unwetter, Dürren – sie suchen die Region immer wieder heim und verursachen große Schäden. An einem Tag im Oktober 2012 geht eine Großmutter aus Nord-Waziristan mit ihren Enkeln raus aufs Feld. Sie wollen arbeiten. Eine Drohne nähert sich dem Acker und feuert los. Die Enkelkinder müssen zusehen, wie ihre Großmutter stirbt. Bei einem zweiten Angriff von US-Drohnen werden auch sie schwer verletzt. Das ist keine Geschichte, die ich mir ausgedacht habe, sie ist leider wahr und hat sich laut amnesty international so zugetragen.Es trifft, wie so oft im Krieg, diejenigen, die ohnehin nichts haben, die Armen. Zivilisten. Kinder. Ich sage daher hier klar und deutlich: Damit muss endlich Schluss sein!

Wenn ich von diesem und unzähligen anderen Schicksalen höre, begreife ich nicht, wie demokratische Regierungen so etwas gutheißen können, wie sie selbst solche menschenverachtenden Einsätze unterstützen oder selbst verantworten können. Dabei haben wir uns, wie viele andere Länder, auch die USA – den Menschenrechten verpflichtet. Das macht den Unterschied zu Schurkenstaaten und totalitären Regimen, die Menschenrechte bewusst und gezielt auf brutalste weise verletzen. Es ist unser Wertesystem, das uns antreibt, und weshalb wir terroristische Banden wie den IS und Boko Haram mit ihren Gräueltaten verachten und stoppen müssen. Wir haben uns aber den Menschenrechten verpflichtet, die Würde eines jeden Menschen zu achten und zu schützen. Die Menschenwürde ist universell und unantastbar.

Gewaltenteilung, Demokratie und Gerichtsbarkeit – das sind die Pfeiler unseres Wertefundaments. Und dazu gehört auch das Recht, auf ein faires Gerichtsverfahren. Dies gilt für den Ladendieb genauso wie für die Menschen, die brutal gegen Menschen vorgehen. Dafür haben wir Institutionen eingerichtet wie den Internationalen Strafgerichtshof. Dort kommen Kriegsverbrecher vor Gericht, dort werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet. Deshalb müssen wir solche Institutionen stärken! Was aber, wenn wir unsere Werte über Bord werfen. Wenn wir selbst gegen sie verstoßen? Dann verschwimmen die Linien zwischen Rechtsstaatlichkeit und Unrecht. Dann machen wir uns selbst unglaubwürdig.

Liebe Friedensbewegte, es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Es ist an der Zeit, der Welt zu zeigen: Seht her, wir meinen es ernst mit unseren Werten! Wir meinen es ernst mit der Menschenwürde. Wir werden auf Krieg und Terror nicht mit den gleichen Mitteln antworten. Humanität, Menschenrechte  bestimmen unser Handeln. Und gerade deshalb fordern wir:

Beendet diesen menschenverachtenden Drohnenkrieg!

Wir wissen, wo er stattfindet. Nicht nur in Pakistan, sondern auch in Afghanistan, im Jemen, in Somalia.

Seit 12 Jahren gibt es den Drohnenkrieg in Pakistan. Bis September 2015 gab es allein in diesem Land mindestens 1.738 Tote, darunter viele Zivilisten und Kinder. Jeder von ihnen ist einer zuviel! Dieses brutale Töten muss beendet werden!

Die Operationen werden von der CIA geführt. Sie werden auch aus Ramstein, also von deutschem Boden aus, gesteuert. Der deutsche Verfassungsschutz liefert Daten an die US-Behörden und unterstützt auch damit den Drohnenkrieg – auch wenn sowohl der jetzige als auch der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz dies bestreiten. Damit machen wir uns schuldig. Damit machen wir uns zu Mittätern. Und damit verstoßen auch wir gegen das Völkerrecht.

Es gibt aber noch eine weitere fatale Folge aus dem Drohnenkrie: Viele Menschen laufen den Radikalen zu, gerade weil sie – das zeigen viele Studien aus den Gebieten – diese Praxis ablehnen und die Symbolik des Einsatzes von Drohnen, nämlich David gegen Goliath, sie dazu antreibt, zu Extremisten zu werden. Der Drohnenkrieg ist ein Rekrutierungsmittel für die Gruppen, die wir eigentlich bekämpfen. Ganz schön paradox. Deshalb: Schluss damit! Pakistan und Jemen haben eine Resolution in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingebracht, mit der sie nichts anderes wollten, als Transparenz in Bezug auf Drohnenangriffe.

Diese Resolution ist zwar angenommen worden. Die USA haben dagegen gestimmt, und Deutschland? Hat sich enthalten. Was für ein Signal! Uns Deutschen kommt eine besondere Rolle zu. Wir dürfen nie vergessen. Wir haben eine historische Verantwortung! Von hier, von deutschen Boden aus, darf kein Krieg mehr ausgehen!

Keine 25 Kilometer von hier liegt die Air Base, über die Zeugen wie der ehemalige Pilot von Kampfdrohnen Brandon Bryant sagen: Das, was die Amerikaner machen, wäre ohne das, was in Deutschland zum Beispiel in Ramstein passiert, in der Form überhaupt nicht möglich.

Deutschland hat eine Verantwortung!

Ich fordere die Bundesregierung auf, klar Stellung zu beziehen. Dem US-Präsidenten unmissverständlich klarzumachen, dass damit Schluss sein muss. Die Drohnenangriffe müssen endlich beendet werden! Lasst uns dafür gemeinsam kämpfen! Und ja, Politik verlangt Haltung. Die ist mehr als notwendig. Wir sehen die vielen Konflikte in der Welt und wir wissen sehr genau, dass die deutsche Waffenindustrie mächtig daran profitiert. Schusswaffen in Kindergrößen – wie perfide ist das!

Die genehmigten Rüstungsexporte lagen allein im ersten Halbjahr 2015 so hoch wie im gesamten Vorjahr. Genehmigungen für Algerien, Kuwait und Saudi-Arabien.

Wie pervers ist es denn, wenn aus diesen Waffengeschäften dann terroristische Gruppen finanziert werden, die ganze Länder mit Gewalt überziehen und die wir eigentlich bekämpfen, und wir dann aber den Menschen, die davor flüchten, sagen: Ihr dürft nicht zu uns kommen. Daher muss heute auch von diesem Platz aus das Signal ausgehen:

Wir wollen keine Waffenexporte! Und schon gar nicht in totalitäre Regime. Frau Merkel, Herr Gabriel, Herr Steinmeier, stoppen diese menschenverachtende Politik endlich!

Wenn wir es wirklich ernst meiden und für eine friedliche Welt eintreten, dann müssen wir aber auch die Fluchtursachen bekämpfen. In Syrien ist in der Grundwasserspiegel um 60 m gefallen. Kriege sind meist ausgelöst durch Kämpfe um Ressourcen. Und der Klimawandel wird die Verknappung der Ressourcen noch verschärfen. Auch da stehen wir in Verantwortung!

Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Deshalb brauchen wir Journalisten, die frei und unabhängig berichten können und nicht Angst um ihr Leben haben müssen. Das gilt nicht nur in Ländern wie Syrien, Saudi-Arabien und Iran, sondern überall. Daher müssen wir auch für die Pressefreiheit in allen Ländern eintreten. Denn sie ist zentral für demokratische Entwicklungen. Und sie gehört auch in Deutschland zum Grundpfeiler unserer Demokratie!

Um auf diese Anliegen aufmerksam zu machen, dafür brauchen wir Parlamentarier Euch, die Aktiven in der Friedensbewegung, die stetig den Finger in die Wunde legt.

Als Jugendliche habe ich an den großen Friedensdemos in Bonn und an vielen Menschenketten teilgenommen. Es gab und gibt immer wieder die Sorge, dass politische Strömungen, Friedensbewegung instrumentalisieren könnten.

Lasst uns nicht auseinander dividieren. Nur gemeinsam sind wir stark. Wir stehen hier gemeinsam als Antifaschisten, gegen Gewalt und Totalitarismus.

Lasst uns für das eintreten, was die Friedensbewegung immer ausgezeichnet hat: Das Bewusstsein für unsere historische Verantwortung Deutschlands hochhalten. Sich für den friedlichen Protest einsetzen. Für die Einhaltung der Menschenrechte – weltweit.

Gegen Krieg und Gewalt und für die Menschlichkeit!

Vielen Dank!

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