Rede zum Glasfaserausbau (DigiNetzG) vom 12.05.2016

Es gilt das gesprochene Wort!

„Sehr geehrte Damen und Herren,

„Deutschland hat kein schnelles Internet.“ Das sagt nicht irgendwer, sondern der Bundeswirtschaftsminister und derzeit noch amtierende Parteivorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, in seiner „Digitalen Strategie 2025“. Ich teile diese Beobachtung. Die Aussage ist aber insofern bemerkenswert, da sie von einem Mitglied DER Bundesregierung kommt, die sich im Koalitionsvertrag eine flächendeckende Breitbandversorgung bis 2018 auf die Fahnen geschrieben hat. Bundesminister Gabriel gesteht hier das Versagen der eigenen Regierung ein!

Armer Minister Dobrindt. Das war nicht nett vom Kollegen. Ehrlich- aber nicht nett. Und dann macht der Wirtschaftsminister immer weiter, fordert massiven Glasfaserausbau und Milliardeninvestitionen. Wie genau sieht eigentlich bei Ihnen die Arbeitsaufteilung aus?

Im Prinzip hat er ja Recht, der Herr Gabriel. Und schade, dass er nicht hier ist, denn das hört er ja nicht oft dieser Tage. Die Analyse stimmt, die Handlungsoption auch: Wir brauchen einen massiven Glasfaserausbau in Deutschland. Nur wenn er das so sieht, hätte er als Wirtschaftsminister halt nicht den Vectoring-Antrag der Telekom so massiv pushen dürfen.

Stattdessen haben wir jetzt die Blamage für die Bundesregierung: Die EU-Kommission wird den Beschluss einer vertieften Prüfung unterziehen. Und das ist richtig so: Der Beschluss der Bundnetzagentur ist kontraproduktiv und verzögert den Ausbau von hochleistungsfähigem Internet in Deutschland. Es braucht eben mehr, und nicht weniger Wettbewerb. Stattdessen werden die Konkurrenten künstlich ausgebremst und das Telekommonopol wiederbelebt. Es wäre deshalb gut, wenn dieser Beschluss noch mal überdacht würde!

Aber zu Herrn Gabriel: Es braucht noch nicht einmal die inter-koalitionäre Opposition um festzustellen: Die Breitbandpolitik der letzten Jahre hat uns nicht vorangebracht.

Too little, too late: Erst bekam Minister Dobrindt jahrelang kein Geld, und jetzt dürfte es für die Breitbandziele der Bundesregierung zu spät sein. Laut Breitbandatlas waren Ende 2015 erst 70,1% mit 50 Mbit versorgt. Wie sollen denn realistischerweise bis 2018 die restlichen 30 Prozent geschafft werden?

Das vorliegende Gesetz wird hier, so viel können wir mit Sicherheit sagen, auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Es wird nicht dafür sorgen, dass über Nacht Deutschland zum Gigabitland wird. Dafür braucht es Investitionen in Milliardenhöhe.

Und auch hier: Too late. Das DigiNetz Gesetz ist die Umsetzung der EU-Kostensenkungsrichtlinie. Nur ist die vom 15. Mai 2014 und hätte bis zum 1. Januar 2016, also schon vor über fünf Monaten umgesetzt sein sollen. Droht da etwa ein Vertragsverletzungsverfahren? Auch die Länder sind wenig begeistert, dass jetzt ihre Bedenken im Hau-Ruck-Verfahren geklärt werden sollen. Alles in allem kein guter Start für dieses Gesetz.

Die Umsetzung der Kostensenkungsrichtline soll, wenig überraschend, Kosten senken. Bis zu 80 Prozent der Breitbandausbaukosten entfallen auf den Tiefbau. Durch Mitverlegung glaubt die Bundesregierung ein Einsparpotential von bis zu 25 Prozent der Kosten oder wovon? zu erreichen. Wir haben heute schon gehört:  Angesichts der Gesamtkosten für einen flächendeckenden Glasfaserausbau von bis zu 80 Milliarden Euro seien das 20 Milliarden in den nächsten drei Jahren. Aber mal ehrlich, jedem Controller würde bei dieser Milchmädchenrechnung ein bisschen schwindelig werden.

Ihre Rechnung funktioniert nämlich nur, wenn man davon ausginge, dass ein flächendeckender Glasfaserausbau zu 100 Prozent durch Mitverlegung realisiert würde.  Tatsächlich wird hier eine Datenlücke kaschiert: Es gibt keine Aussage dazu, in welchem Ausmaß die bisher nicht mit mind. 50 Mbit versorgten Gebiete durch Mitverlegung erschlossen werden können. Nur auf diesen Anteil hin wäre das Einsparpotenzial zu berechnen. Einfacher gesagt: Es ist schön und gut, eine EU-Richtlinie zur Kostensenkung beim Ausbau umzusetzen. Sie kann aber ein politisches Konzept zum Breitbandausbau nicht ersetzen.

Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass bei mit öffentlichen Mitteln finanzierten Verkehrsbauarbeiten und der Erschließung von Neubaugebieten nicht nur Leerrohre, sondern auch Glasfaserkabel mitverlegt werden sollen – auch wenn es für das Netz noch gar keinen Betreiber gibt. Leerrohre verstehe ich. Aber warum soll die öffentliche Hand Glasfaser verlegen, wenn es keinen Betreiber gibt? Das erscheint nur auf den ersten Blick sinnvoll. Auf dem zweiten drohen Fehlinvestitionen. Denn Versorgungsunternehmen sind nicht zwangsläufig Experten für Telekommunikationsnetze. Sie können nicht beurteilen, welche Technik zu welchem Zeitpunkt verbaut werden muss, welcher Typ von Glasfaser verwendet werden soll und wo beispielsweise ein Technik-Shelter benötigt wird. Ohne ein überregionales Ausbaukonzept und eine konkrete Netzplanung nützt auch das Verlegen von Kabeln nichts. Darum finde ich es sinnvoller, wenn erst mal nur Leerrohre verlegt würden, die Betreiber später nutzen können. Das spart den Kommunen Geld und trotzdem werden die Kosten für die Tiefbauarbeiten gesenkt. Zwei Fliegen mit einer Klappe.

Für mich ist es auch nicht nachvollziehbar, warum es einen Anspruch auf Anschluss des Gebäudes an ein Hochgeschwindigkeitsnetz gibt, aber keine Vorgaben für die gebäudeinterne Infrastruktur. Es wäre doch sinnvoll, wenn vor allem bei größeren Gebäude, wie Mietshäuser oder Bürogebäude die Infrastruktur vom Keller bis zu den Wohnungen bereits mit passiver Infrastruktur für Hochgeschwindigkeitsnetze ausgestattet wäre. In Spanien gibt es entsprechende Regelungen bereits seit mehreren Jahren, warum nicht auch hier? Die Bundesregierung geht offenbar davon aus, dass es reicht, wenn inhouse Klingeldraht verlegt ist – womöglich gar direkt auf den Beton getackert, statt mit Leerrohren, die man später auch für Glasfaser nutzen könnte. Das ist so von gestern, dass ich es kaum glauben kann.

Was ich mich auch frage: Warum nutzen Sie eigentlich nicht die Gelegenheit zu einer umfassenden Open-Access-Verpflichtung? Wenn Unternehmen dadurch Geld sparen, dass sie Leerrohre mitbenutzen können oder sich die Kosten für Bauarbeiten sparen, entsteht ihnen doch sozusagen ein geldwerter Vorteil. Der sei ihnen gegönnt. Aber im Gegenzug wäre es doch nett, wenn diese Unternehmen dann auch ein Wholesale-Angebot machen würden, also ihrerseits Konkurrenten auf ihre Leitungen lassen müssten. Schließlich wollen wir mit dem Gesetz nicht die Entstehung neuer Monopole fördern, sondern einen funktionierenden Infrastrukturwettbewerb ermöglichen. Ich finde, da könnten Sie ruhig noch einmal drüber nachdenken.

Sehr geehrte Damen und Herren: „Deutschland hat kein schnelles Internet“. Und bis 2018, so viel deutet sich an, werden wir auch keins haben. Denn Deutschland hat auch keine schnelle Bundesregierung. Dieser Gesetzentwurf ist zwar größtenteils eine sinnvolle Umsetzung einer EU-Richtlinie, nur kommt diese reichlich spät. Es wird Zeit, dass das Ministerium auch mal an seiner Arbeitsgeschwindigkeit arbeitet. Danke.“

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