Widersinnige Filmvernichtung nimmt immer dramatischere Züge an

Zur Auskunft der Bundesregierung zur zunehmenden Vernichtung von analogem Filmmaterial erklärt Tabea Rößner, Sprecherin für Filmpolitik der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Die schlimmsten Befürchtungen werden nun bestätigt: Die Bundesregierung plant die Schließung der eigenen Kopierwerke für analogen Film und will künftig komplett auf die Archivierung auf analogem Film verzichten. Das ist erschreckend kurzsichtig, weil der sogenannte Rollfilm das bisher einzige Trägermaterial ist, dessen langfristige Aufbewahrung bereits erprobt ist und die rein digitale Sicherung mit unbekannten Risiken und hohen Kosten verbunden ist. Während die Vernichtung von Nitratfilmen sich aufgrund der Sprengstoffverordnung teilweise rechtfertigen lässt, ist die Bundesregierung in der Pflicht, eine angemessene und zukunftsfeste Sicherung des Filmerbes in der Breite und Vielfalt vorzunehmen. Tatsächlich findet aber das Gegenteil statt: Ohne öffentliche Diskussion und hinter verschlossenen Türen entscheidet das Bundesarchiv darüber, was „archivwürdig“ und „kultur- und filmhistorisch besonders bedeutsam“ ist. Nur bei diesen Filmen wird bislang auf eine Vernichtung verzichtet.

Die Situation wird immer dramatischer, weil nach wie vor kein Konzept und keine Finanzierung für die umfassende Archivierung des Filmerbes und dessen Zugänglichmachung vorliegen. Einstweilen werden Fakten geschaffen. Es ist mehr als befremdlich, dass die Bundesregierung hier weder auf den Rat der ExpertInnen hört, noch sich an den dafür anfallenden Kosten anständig beteiligt. Filmbranche, ArchivarInnen und FilmhistorikerInnen warnen seit Jahren eindringlich davor, dass das Filmerbe so verloren geht. Die Bundesregierung nimmt es sehenden Auges in Kauf. Es ist richtig und wichtig, mehr Mittel in die kulturelle Filmförderung zu investieren, es ist aber absurd, darüber die Filmgeschichte zu vergessen. Der gesellschaftliche Austausch über das Filmerbe muss in den Mittelpunkt rücken. Vielfältige und auch widersprüchliche Perspektiven werden dringend bei der Archivierung benötigt, damit die konservative Kanonisierung ein Ende nimmt. Bis zum Abschluss dieses Prozesses muss die Filmvernichtung umgehend gestoppt werden.

Hier finden Sie die Antworten der Bundesregierung auf meine Fragen als PDF.

Update (14.06.2016): Auch die Antworten auf meine Folgefragen haben nichts Neues zu Tage gefördert. Eine Information steht aber implizit zwischen allen Zeilen: Es fehlt die von Kulturstaatsministerin Grütters schon im November 2014 angekündigte „Nationale Digitalisierungsstrategie“. Wir warten… und warten… und warten!

Teile diesen Inhalt:

  1. Martin W.

    Wenn man Film auch als Kunstform versteht, ist es unabdingbar, Film in dem originalen Medium zu bewahren. Niemand würde auf die Idee kommen, ein Rembrandtgemälde zu verbrennen, weil man ja bereits ein digitales Foto davon gemacht hat. Digitalisierte Filme sind sehr gut, um ansonsten schwer vorführbare Filme zugänglich zu machen.

    Antworten
  2. Anonymous

    Schlimme Entscheidung. Ich habe meine Ausbildung zum Fotografen bei der ehemaligen Landesbildstelle Bremen (Jetzt LIS/Zentrum für Medien) absolviert. Das Filmarchiv ist eine atemberaubende Schatzkammer der Geschichte.

    Antworten

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld