Fachgespräch im Bundestag: Was folgt aus der Affäre #Landesverrat?

Nach der Affäre um die Ermittlungen gegen die Blogger von netzpolitik.org haben die Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele und Tabea Rößner mit JournalistInnen und JuristInnen diskutiert, wie sich die Vorfälle auf journalistische Arbeit und Informantenschutz auswirken und wie ein besserer Schutz der Pressefreiheit erreicht werden kann.

Der Fraktionsvorsitzende Toni Hofreiter betonte einleitend die Bedeutung des Informantenschutzes für die Presse und auch die Arbeit von Bundestagsabgeordneten. Er verwies auf den grünen Gesetzentwurf zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht aus der letzten Wahlperiode und den in dieser Legislaturperiode ausgeweiteten Gesetzentwurf zum Schutz von Whistleblowern, der auch in das Staatsschutzstrafrecht hineinreicht. Und hoffte auf neue Impulse durch die Diskussion, die Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin und Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Rechtsausschuss leiteten.

Keine Einschüchterung – trotzdem Reformbedarf

Einig waren sich die diskutierenden JournalistInnen, dass die Presse eher gestärkt aus der Affäre hervorging, insbesondere wegen der öffentlichen Diskussion und deren Wirkung. Die Ermittlungen gegen die beiden Blogger von netzpolitik.org seien eingestellt und der Generalbundesanwalt zurückgetreten. Spiegel-Redakteur Latsch, NDR-Justiziarin Witt und CORRECT!F-Reporter Crawford sahen daher keinen akuten Handlungsbedarf.

Reformbedarf wurde überwiegend von juristischen Sachverständigen gesehen, weil immer wieder strafrechtliche Ermittlungen gegen JournalistInnen genutzt würden, um die „Lecks“ in Behörden zu finden, die Material durchstechen. Die gesetzlichen Nachbesserungen zum Schutz der Pressefreiheit nach der Cicero-Affäre seien unzureichend und hätten die aktuellen Ermittlungen nicht verhindert. Neu sei das Ausweichen der Strafverfolgungsbehörden auf den Tatbestand des Landesverrats (§94 StGB). Damit sei die 2012 eingeführte Straffreistellung der Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnisses (§353b StGB) unterlaufen worden. Eine Missbrauchsgefahr sah Strafrechtler und Richter am Landgericht Ulf Buermeyer als gegeben, weil bei Landesverrat eine Telekommunikationsüberwachung und Verbindungsdatenabfrage möglich sei. Außerdem bleibt aus Sicht eines Teils der Diskutierenden das Manko, dass die Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen strafbar bleibt und damit Raum für Kriminalisierung journalistischer Arbeit lasse.

Staatsgeheimnisse neu definieren?

Einig waren sich alle, dass die angedeuteten Vorschläge von Justizminister Maas, die damalige Gesetzgebung auf den Straftatbestand des Landesverrats zu übertragen, unzureichend sind. Die Erwägung von Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas, die Ermittlungen an die Ermächtigung des Justizministers zu knüpfen, blieb eher kontrovers. Auf großes Interesse stieß hingegen der Vorschlag von Christian Rath (Journalist und Jurist), Ausnahmen vom Begriff des Staatsgeheimnisses zu regeln, um einen öffentlichen demokratischen Diskurs über Missstände zu ermöglichen, auch wenn eine Gefährdung der Sicherheit bestehen oder konstruiert werden könnte. Er plädierte daher für einen neuen § 93 Absatz 3 StGB: „Vorgänge des Zeitgeschehens von öffentlichem Interesse sind keine Staatsgeheimnisse.“

 

Strafprozessrecht nachbessern                     

Der mit der Bloggerszene vertraute Richter Buermeyer setzte sich dafür ein, beim Zeugnisverweigerungsrecht für Medienangehörige das Wort „berufsmäßig“ zu streichen. Ziel sei, auch Gelegenheitsblogger in den Schutz einzubeziehen, da hiervon weitere Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden abhängen. Es folgte eine Diskussion um die bereits jetzt weite Auslegung des Begriffs durch die Rechtsprechung und die richtige Abgrenzung zwischen journalistischer und nichtjournalistischer Arbeit und deren Grundsätze sowie Missbrauchsmöglichkeiten durch die Neonazi-Szene oder Salafisten. Tendenz war, ausschließlich auf inhaltliche Kriterien journalistischer Arbeit abzustellen, zumindest zur Klarstellung angesichts von Missverständnissen in der Praxis.

Die Praxis von Wikileaks, Dokumente 1:1 ins Netz zu stellen, wurde einvernehmlich nicht als Journalismus angesehen. „Die Gefahr von Kollateralschäden und die Notwendigkeit journalistischer Einordnung macht deutlich, dass man mit dem Journalistenprivileg etwas vorsichtig sein muss. Wer etwas leaken will, soll sich lieber an Journalisten wenden.“, resümierte die medienpolitische Sprecherin Tabea Rößner.

Gazeas forderte, wie im grünen Gesetzentwurf zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit von 2010 eine Nachbesserung des §160a StPO, der Ermittlungsmaßnahmen bei Zeugnisverweigerungsberechtigten regelt. Hierbei solle noch stärker darauf hingewiesen werden, dass es nicht um den Schutz von JournalistInnen gehe, sondern um den Schutz von InformantInnen, ohne die investigativer Journalismus nicht möglich sei.

Informanten schützen – faktisch und gesetzlich

Alle beteiligten MedienvertreterInnen betonten Ihre eigene Verantwortung, Ihre Informanten durch professionelle journalistische Maßnahmen zu schützen. Gesetzlicher Schutz von Whistleblowern wurde aber dennoch ergänzend gefordert, besonders von Gazeas. Besonders im Arbeitsrecht und auch im Strafrecht herrsche große Rechtsunsicherheit. Die Rechtsprechung betreffe bisher nur Einzelfälle, gesetzlich sei wenig geklärt. Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum verbesserten Schutz von Whistleblowern sah er als guten Ansatzpunkt. Er suchte aber noch nach Möglichkeiten, unklare Rechtsbegriffe und Abwägungsklauseln zu präzisieren, etwa durch Regelbeispiele.

Datenhehlerei als Kuckucksei

Buermeyer kritisierte die halbherzige Klausel zum JournalistInnenschutz beim neuen Straftatbestand zur Datenhehlerei im Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Sie beziehe sich wiederum nur auf die Berufsmäßigkeit und sei noch weiter eingeschränkt, weil sie sich unmittelbar auf eine Veröffentlichung beziehen müsse. Netzwerkpflege im Hintergrund, um Informationen zu sammeln für die Einarbeitung in ein Thema sei absurderweise nicht straffrei gestellt.

Mehr Transparenz bei den Akten

Positiv aufgenommen wurde der Ansatz von Gazeas, Berichterstattung zu erleichtern durch Verkürzung der 30-jährigen Geheimhaltungsfrist für Verschlusssachen, innerhalb derer bereits Kontrollmechanismen greifen sollten. Gazeas schlug hierfür eine Vorlagepflicht nach fünf Jahren an die obere Dienstbehörde und Mitteilung an das PKG vor.

Ausblick

Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Rechtsausschuss, schloss mit dem Ausblick auf die Auswertung der Diskussion und die Arbeit an neuen Gesetzesformulierungen. Er berief sich auf Edward Snowden und sah die Professionalität und Verantwortung journalistisch aufgearbeiteter Informationen als Leitschnur an.

Hier gibt es einen Mitschnitt des Fachgespräches.

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