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Netzwerkkabel

Breitbandförderkriterien: Ein Potpourri der Kritik

Mit den Kriterien für das Breitbandförderprogramm des Bundes wird die Bundesregierung die Weichen für die digitale Zukunft Deutschlands stellen – aber in welche Richtung? Die Kritik an dem bisherigen Entwurf ist groß.

Derzeit überarbeitet das Bundesministerium für digitale Infrastruktur die Kriterien im Entwurf des Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau. Daran arbeiten sie auch schon ziemlich lange. Zu sehen gab es den Entwurf aber erst vor gut einem Monat – leider nur für Eingeweihte. Wir Bundestagsabgeordnete der Opposition gehören offenbar nicht dazu. Über Umwege habe ich den Entwurf dennoch erhalten, obwohl ich immer wieder darum gebeten hatte. Auch diejenigen Verbände und Unternehmen, die den Entwurf bekamen, waren not amused. Aus zweierlei Gründen: Zum einen, weil sie nur 3,5 Werktage für ihre Stellungnahmen bekamen. Zum anderen, weil in diesen Kriterien einiges Unerfreuliches steckt. Mir liegen viele dieser Stellungnahmen vor, so dass ich mir selbst ein umfassendes Bild machen konnte. Die wichtigsten Probleme möchte ich hier dokumentieren.

 

Keine Nachhaltigkeit

Wie Minister Dobrindt die Kriterien ausgestaltet, nach denen er sein Fördergeld verteilt, hat langfristige Auswirkungen. Denn Gelder in diesem aus Ausmaß werden erst mal nur einmal verbuddelt. Wenn Unternehmen oder kommunen nächstes Jahr viel Geld in den Breitband geben, werden sie das in kommenden Jahren sicher nicht gleich wieder tun. Das Förderprogramm wirkt sich also nicht nur auf den Breitbandzugang im Jahre 2018 aus, sondern weit darüber hinaus. Viele Akteure äußern die Sorge, dass die Fördergelder falsch investiert werden. Das ist ein Eindruck, der sich wie ein roter Faden durch fast alle Stellungnahmen zieht, die ich gelesen habe. Es liege keine Priorität auf Nachhaltigkeit, heißt es. In den Kriterien liegt die Förderschwelle analog zu den Breitbandzielen des Bundes bei 50 Mbit/s Downloadgeschwindigkeit. Viele befürchten – aus meiner Sicht zurecht, dass diese Geschwindigkeit bald nicht mehr ausreichen werde. Denn der Fokus liegt nicht bei zukunftsfähigen Netzen wie Glasfaser oder Kabel.

Es wird sowohl einen allgemeinen Kriterienkatalog geben, als auch ein genaues Scoring-Modell, nach dem die einzelnen Kriterien bewertet werden. Da bekommen dann Kriterien wie das Datum der Fertigstellung, die genutzen Materialien, die Kosten etc. Punkte. Die Projekte mit der höchsten Punktzahl bekommen dann eine Förderung. Das Scoring-Modell bewertet die Fertigstellung 2018 mit 50 Mbit/s mit den meisten Punkten. Eine noch höhere Geschwindigkeit wird kaum belohnt. Der Bereich „Nachhaltigkeit“ bekommt im Modell im Vergleich die geringste Punktzahl, ist somit am unwichtigsten. Indirekt wird die Nachhaltigkeit sogar bestraft: Wer mit Glasfaser zukunftsfähig ausbaut, braucht mehr Geld und Zeit für die Tiefbauarbeiten – das wiederum kann zum Punktabzug führen. Gar nicht gewertet werden indes andere, nachhaltige Vorteile von Glasfaser: der geringere Stromverbrauch, weniger störanfällige Leitungen, geringere Betriebskosten. Dies werde aber nicht gewürdigt.

Ein weiterer Kritikpunkt, der mir valide erscheint, ist die reine Fokussierung auf die Downloadgeschwindigkeit. Der stetig steigende Bedarf im Upstream würde nicht genug berücksichtigt. Beispielsweise für Telearbeit oder Cloud-Computing seien aber auch die Uploadraten wichtig, diese wiederum seien bei Glasfaser deutlich höher.

Aus diesen Punkten ziehen viele Verbände den Schluss, dass das Fördermodell von Dobrindt eindeutig FTTC [Fibre to the Curb, zu deutsch: Glasfaser bis zur Straßenecke. Gemeint sind die Grauen Verteilerkästen] gegenüber FTTB/H [Fibre to the home/buolding, also Glasfaser bis zur Wohnung, bis zum Gebäude] bevorzuge. In anderen Worten: Der Glasfaserausbau wird sträflich vernachlässigt und endet wahrscheinlich schon am Kabelverzweiger. Sie befürchten, dass die Bandbreite schon in wenigen Jahren nicht mehr ausreichen werde. In der Folge müsse es dann ein weiteres Programm geben, das Tiefbauarbeiten und Glasfaser fördere und wieder die Anwohner belästige. Von den zusätzlichen Kosten ganz zu Schweigen.

Diskriminierung des Betreibermodells zugunsten der Unternehmen

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die mögliche Benachteiligung des Betreibermodells gegenüber dem Wirtschaftlichkeitslückenmodell. Eine kurze Erläuterung: Das Betreibermodell bedeutet, dass eine Kommune selbst Rohre oder Leitungen verlegt und diese wahlweise an Anbieter verpachtet oder gleich selbst Anbieter wird (z.B. über die Stadtwerke). Beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell soll die Förderung die Refinanzierungslücke schließen, die sich für Netzbetreiber in wirtschaftlich unattraktiven Gebiete auftut. Bei dem Betreibermodell wird Geld in passive Infrastruktur investiert, die Kommune bekommt langfristig dafür Einnahmen aus der Pacht. Dagegen kriegen die Unternehmen beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell quasi einen einmaligen „Zuschuss“.

Auf den ersten Blick spricht manches für das Wirtschaftlichkeitslückenmodell: Es ist günstiger, da die Unternehmen nicht die kompletten Ausbaukosten erstattet bekommen. Je nach Technologie kann der Ausbau schneller erfolgen. Und für viele Kommunen wäre es eine große Herausforderung, selbst die Tiefbauarbeiten in Angriff zu nehmen, die sich auch erst über einen längeren Zeitraum rechnen.

Ich bevorzuge trotzdem das Betreibermodell. Ich finde es sinnvoll, wenn wir Steuergelder nicht einfach so in den Unternehmenskassen „versenken“, sondern schlau investieren. Zudem wird bei den Betreibermodellen zumeist auf Glasfaser gesetzt, die so näher an die Häuser gebracht wird. Schlussendlich sehe ich auch einen gewissen Charme darin, wenn Kommunen den Schritt wagen und über ihre Stadtwerke selbst zum Anbieter werden, denn schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft.

Theoretisch können laut den Kriterien Förderanträge für eins der beiden Modelle gestellt werden. Im Vorfeld müssen aber im Antrag beide Modelle gegeneinander abgewogen werden, was aus meiner Sicht unnötig und bürokratisch ist. Die Stellungnahmen sehen in den Kriterien Indizien, dass das Wirtschaftlichkeitslückenmodell de facto vom Bundesministerium bevorzugt werde. Dem Betreibermodell werden viele kleine und größere Hürden in den Weg gelegt: So soll bereits mit Projektbeginn vertraglich feststehen, wer der Betreiber sein muss. Das sei problematisch, weil es vorher ein Vergabeverfahren geben müsse.

Vor allem aber sei es ein Problem für die Kommunen, wenn eine Wiederveräußerungs- oder Ausschreibungspflicht für passive Infrastrukturen nach zehn Jahren vorgesehen werde. Verträge, die man mit Pächtern schließe, gehen meist über zehn Jahre hinaus. Erst dann kann sich der Einsatz für den Pächter auch refinanzieren. Sollte nach zehn Jahren eine Wieder-Ausschreibung drohen, bestehe die Gefahr, dass sich kein Unternehmen mehr für die Pacht interessiere. Dem Betreibermodell drohe damit schon im Vorfeld das Aus.

Und auch hier zeigt sich, dass das Verkehrsministerium offenbar keinen Wert auf Nachhaltigkeit legt. Denn das Kostenargument trifft natürlich besonders das Betreibermodell, das auf den ersten Blick teurer ist. Dass sich diese Investitionen aber mit der Zeit refinanzieren, spiegelt sich in den Kriterien nicht wider. Und auch hier ist 2018 als Enddatum ein Problem, wenn langwierige Tiefbauarbeiten für den Glasfaserausbau geplant sind.

Mangelhafte Ausführung

Mitunter werden dem Bundesverkehrsministerium auch einfach handwerkliche Fehler vorgeworfen. So können Projekte parallel aus Mitteln des Bundesprogramms wie auch aus Länderprogrammen gefördert werden. Die Programme müssen ineinandergreifen. Aber die Voraussetzungen unterscheiden sich derart, dass dies kaum gelingen kann. Insbesondere abweichende Zeiträume der Projekte fallen auf, in Länderprojekten sind dies meist sieben Jahre, beim Bundesprogramm zehn Jahre. Nach welchem Zeitraum muss sich jetzt der Antragssteller richten?

Auch bei der Definition der Wirtschaftlichkeitslücke wird laut der NGA-Rahmenregelung von sieben Jahren gesprochen, hier in den Kriterien sind es wieder zehn Jahre. In der Richtlinie spricht man von Zielgebieten, die Kriterien nutzen abwechselnd die Begriffe „Fördergebiete“ und „Projektgebiete“. Kennt das Ministerium gar die Richtlinie nicht?

Das mag jetzt korinthenkackerisch klingen, aber wenn es später um Millionenbeträge geht, müssen die entsprechenden Kriterien präzise formuliert und rechtlich wasserdicht sein. Offenbar wurde hier geschlampt, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie lange sich das Ministerium für die Kriterien Zeit genommen hat.

Schlechte Koordination

Apropos viel Zeit: Im Vorfeld der Kriterien gab es mehrere große Regionalkonferenzen, veranstaltet vom Bundesministerium. Da verwundert es doch sehr, dass selbst diese Konferenzen nicht dazu geführt haben, dass eine bessere Abstimmung mit den Ländern stattfindet. Nach einem gemeinsamen Papier mehrerer Länder sahen sich Niedersachsen und Rheinland-Pfalz schlussendlich sogar gezwungen, einen Entschließungsantrag in den Bundesrat einzubringen, in dem eine bessere Koordination gefordert wird.

Laut den Kriterien soll beispielsweise das BMVI oder ein Projektträger wie das Breitbandbüro die Bewilligungsstelle für die Förderanträge sein. Die Länder hingegen bezweifeln, dass dies zweckmäßig ist, denn es gebe nicht genug Kapazitäten dafür. Vor allem befürchten sie, dass die Beratung der Kommunen nicht aus einer Hand komme, und dies Doppelarbeit auf der Landesebene bedeute. Sie plädieren deshalb dafür, die Förderbanken in den Bewilligungsprozess mit einzubeziehen – ein Vorschlag, der wohl schon im Vorfeld öfter an das Ministerium herangetragen wurde.

Die Höhe des Kofinanzierungsanteils wird ebenfalls kritisch gesehen. Der Bund übernimmt ja nicht die volle Fördersumme, sondern in der Regel 50 Prozent. Die Länder befürchten, dass sie hierfür dann auf die Landeseinnahmen aus der Frequenzversteigerung zurückgreifen müssen. Die waren aber bisher für eigene Ausbauprojekte gedacht. Jedem Projekt müsse dann zwei unabhängige Bewilligungsverfahren (für Landes- und Bundesprogramm) vorausgehen.

Außerdem äußerten die Länder die Sorge, dass Projekte gefördert würden, die nicht zu den Länderkonzepten passten. Diese Befürchtung wird auch in anderen Stellungnahmen geteilt, dass ein Plan fehle, wie das Scoring-Modell des Bundes mit anderen Verfahren der Länder vereinbar sein solle.

Fazit

Dieses sind wirklich nur die Hauptkritikpunkte aus den Stellungnahmen. Im Einzelnen nehmen die Beteiligten die Kriterien noch viel stärker und detaillierter auseinander, als ich das hier darstellen kann. Aus meiner Sicht zeigen die Kriterien im Kern das Problem dieser Bundesregierung auf: Bundesminister Alexander Dobrindt hatte bei Amtsantritt flächendeckendes Breitband bis 2018 verkündet, offenbar ohne vorher für die nötigen Gelder zu sorgen oder überhaupt eine tiefergehende Analyse der Lage vorzunehmen. Nun versucht er auf Teufel komm raus, dieses vergleichsweise kurzfristige – und kurzsichtige – Ziel zu erreichen, und ordnet dem alles unter. Mit der eindeutigen Gewichtung für das Enddatum 2018 und rein 50 Mbit/s schließt er das Tor für nachhaltige Betreibermodelle und Glasfaser. Dadurch wird die mittel- und langfristige Zukunft dieses Landes verspielt, denn wenn wir jetzt in Kupfer und Vectoring investieren, halten deren Übertragungsraten nicht mehr lange mit den Ansprüchen Schritt. Dann ist das Geld erstmal weg. Es müssten dann neue Fördermaßnahmen ergriffen werden. Diese Sorgen werden massiv in den vorliegenden Stellungnahmen geäußert. Es liegt nun an Bundesminister Dobrindt und seinem Ministerium, noch mal das Steuer herumzureißen und Kurs auf die Zukunft zu nehmen. Noch sind die Kriterien nicht verabschiedet.

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  1. Schmid Harald B90G KV Rhein-Hunsrück

    Hallo Tabea

    und danke einmal mehr für Deine treffende Berichterstattung. Das weitere Chaos ist entsprechend Programm. Ich wünsche mir, dass

    (1) – „völlig Wurscht“ wie man das nennen will – Netze, hier Kommunikationsnetz(ergänzungen) nicht weiterhin bzw. schon wieder in privatwirtschaftlich dominierte Hände kommen. Wir müssen endlich dazu kommen, dass die Öffentlichkeit die flächendeckenden Basis-Infrastrukturen schafft, betreibt, erhält, weiter entwickelt (oder dies gern auch nach Vergaberegeln beauftragt) und zwar so, dass wir alle davon profitieren. Das gilt für Telefon + Daten, Strom + Gas, Schiene + Straßen + Wasserwege, Luft + Raum usw.. Welche Dienste dann jeweils darüber angeboten werden und von wem auch immer, ist anschließend sekundär und darf auch dem Wettbewerb überlassen bleiben. Nur so kann auch politisch (im Sinne des Gemeinwohls) vernünftig vorgegangen werden; und

    (2) denke ich hier im Konkreten zum Kommunikationsnetzausbau:
    Überlegt doch bitte mal, warum die Bandbreiten so derart „verbreitert“ werden „müssen“ !?
    Werden nicht schon heute zunächst immer erst einmal Giga’s – tonnenweise Datenpakete – von vielfach völlig unnötigen Inhalten transportiert, als da sind Werbeinhalte, aufwendige Bilder und Grafiken, unterstützende, kaum kontrollierbare Software (Cookies / von Schad-SW ganz zu schweigen), …, bis hin zu Nutzerdaten auf dem Rückweg, die ich gar nicht möchte, dass sie – gern auch unbemerkt (z. B. auch Daten meiner Kontakte) – von meinem Rechner gezogen werden.
    Sowohl im Privat- wie insbesondere auch im kommerziellen Bereich benötigen die eigentlichen Wert-Daten vergleichsweise sehr geringe Bandbreiten.
    Nun kommen allerdings Streams an Text-, Musik- und Video-Daten hinzu – die künftig mit Abstand größten Datenvolumina je Nutzungs-Session; im Privatbereich sicher ganz schön, im kommerziellen Bereich oft notwendig (Konferenzen, Medizintechnik, …, vielleicht auch für sinnvolle Überwachung). Man sollte m. E. diesbzüglich doch eine Debatte darüber haben, ob und in wie weit hier „Datenautobahnen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Preise dafür“ richtig wären; nur dürfen wir das nicht den Privaten überlassen. Vielmehr muss auch dies aus der Mitte der Öffentlichkeit heraus, sprich: parlamentarisch bestimmt werden.
    Und damit mag’s dann tatsächlich dazu kommen, dass ein von der Öffentlichkeit regelbestimmtes „Betreibermodell“ zum Tragen kommt, bei dem in der Tat die Fibre-Leitung an dem „grauen Kasten an der Straße davorn“ ankommt und der Endkunde entscheidet + bezahlt was an Anschluss dann in Haus kommt.

    (3) Bleibt mir noch daran zu erinnern, dass unser Land aktuell und auf lange Sicht vor noch ganz anderen Herausforderungen steht, und die Frage gestattet sein muss, ob wir Euro-Milliarden zunächst – anstatt bzw. in geringerem Maß für Telekom-Dinge – insbesondere für Flüchtlinge / Einwanderer / Integration / Gesellschaftsentwicklung / … investieren – ja investieren !

    (4) Und dann ist da ja auch noch die Atom- und Kohlekraftwerks-Problematik, zu der ich Dich vor kurzem ja schon ansprach und wozu ich heute auch noch weiteres beitragen könnte. Denn es zeigt sich ja – trotz oder gerade wegen des besagten Gutachtens im Auftrag der Bundesregierung vom Sommer d. J. -, das Rücklagen und Werte der RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall eben nicht ausreichen werden, Rückbau und Endlagerung zu finanzieren; und man darf den Eindruck haben, dass die Konzerne – bei klarem Blick der regierenden Politik – munter weiter mit den o. e. Kraftwerken („Dreckschleudern“) werden Geld verdienen können / dürfen.
    Da müssen wir sowieso den Finger in der WUnde behalten und immer wieder feste darauf drücken …
    bitte, liebe Tabea.

    Herzliche Grüße aus Leiningen im Hunsrück
    Harald

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