Rede zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im Straf und Strafprozessrecht – Berlin, 29. März 2012

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Eine Journalistin ruft einen Beamten an und bittet um Informationen. Der Beamte kommt ihrer Bitte nach, steckt ihr möglicherweise eine vertrauliche Information und begeht so einen Geheimnisverrat. Der Informantenschutz – das ist hier schon angesprochen worden – soll gewährleisten, dass die Journalistin kritisch berichten kann, ohne dass sie ihren Informanten preisgeben muss. Sie soll nicht zum Ziel von Ermittlungen werden. Ermittler dürfen nicht ihren Computer beschlagnahmen und ihre Arbeitsräume durchsuchen, um herauszufinden, von wem die Information stammt. Aber genau das ist dem Journalisten Bruno Schirra im sogenannten Cicero-Fall passiert.

Um Informationslecks zu finden, werden wegen des Anfangsverdachts der Beihilfe oder der Anstiftung zum Geheimnisverrat immer wieder Arbeits- und Privaträume von Journalisten durchsucht und Beweisstücke beschlagnahmt. Das Zeugnisverweigerungsrecht wird so unterlaufen. Ein solcher Verdacht der Beteiligung an einer Straftat führt zu einer erheblichen Einschränkung der Pressefreiheit.

Schirra konnte seiner Arbeit monatelang nicht nachgehen, weil sein Büro quasi lahmgelegt war. Es existierte nicht mehr. Genau das hat das Bundesverfassungsgericht kritisiert. Man sollte glauben, dass uns die Pressefreiheit als Grundpfeiler unserer Demokratie viel wert ist. Dennoch befindet sich Deutschland laut Reporter ohne Grenzen nicht unter den ersten 15 Staaten, die die Pressefreiheit hochhalten. Das ist peinlich.

Solange wir es aber zulassen, dass Journalisten Strafvorwürfen ausgesetzt sind, wenn sie investigativ recherchieren, wird sich daran auch nichts ändern. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir Grünen sichergehen, dass Journalisten so etwas nicht mehr passieren kann. Uns ist die Pressefreiheit wichtiger als Strafverfolgung um jeden Preis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle Fraktionen halten die Pressefreiheit hoch; das haben wir heute gehört. Dennoch hat sich die Koalition anderthalb Jahre lang über den eigenen Vorschlag gestritten und am Ende alles beim Alten gelassen. Das geht uns Grünen nicht weit genug. Unser Gesetzentwurf ist konsequenter. Wir wollen Journalisten – zu ihnen zählen wir übrigens auch die Blogger – wirklich stärken. Wir wollen nicht, dass gegen sie irgendein Tatverdacht erhoben werden kann, weder eine Beihilfe noch eine Anstiftung. Wer den Geheimnisverräter sucht, darf das nicht auf dem Rücken von Medienangehörigen tun. Es ist doch fern jeder Realität, während der Ermittlungen zu beurteilen, ob ein Journalist möglicherweise den Wunsch, das Geheimnis zu verraten, erst hervorgerufen hat. Dann nämlich könnte ihm nach dem Willen der Bundesregierung weiterhin Anstiftung vorgeworfen werden. Er würde dann einer Straftat verdächtigt, obwohl er einfach nur recherchiert hat. Wir alle wissen: In Ermittlungsverfahren muss es sehr schnell gehen, und was sich genau abgespielt hat, wird oft erst am Ende der Ermittlungen klar. Dann ist die Pressefreiheit aber schon beschädigt.

Auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist die Pressefreiheit nicht schützenswert genug. Sie wollen ja nicht die Strafbarkeit als solche angehen, sondern nur die Beschlagnahmemöglichkeiten. Mit Ihren Änderungen im Strafprozessrecht schützen Sie die Journalisten eben nicht vor Ermittlungen. Sie lassen Einschränkungen der Pressefreiheit somit weiter zu. Wir wollen außerdem, dass Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Medienangehörigen nur dann möglich sind, wenn der Richter dies anordnet, ausführlich begründet und die Verhältnismäßigkeit prüft, auch in Eilfällen.

Dies darf nicht nur für Redaktionsräume gelten. Es ist inzwischen üblich, frei und mobil zu arbeiten. Der Laptop darf also auch nicht im Café oder aus dem Auto beschlagnahmt werden, ohne dass der Richter umfassend prüft.

Pressefreiheit heißt für uns aber noch mehr: Wir wollen Zufallsfunde bei Beschlagnahmen ausschließen, die Berichterstattung bei laufenden Strafverfahren lockern und Medienangehörige bei strafprozessualen Maßnahmen anderen Berufsgeheimnisträgern gleichstellen. Das fehlt im Regierungsentwurf leider völlig.

Sie tun nichts für den Schutz von Medienangehörigen im präventiv-polizeilichen Bereich, etwa im BKA-Gesetz. Die SPD greift beim Schutz von Berufsgeheimnisträgern einzelne Berufsgruppen heraus; das ist nicht konsequent. Wir haben hier den weitestgehenden Gesetzentwurf vorgelegt. Wir drehen nicht nur an einem Schräubchen, sondern meinen es ernst, damit Deutschland bald wieder zu den Top Ten in Sachen Pressefreiheit gehört. Vielen Dank!

Teile diesen Inhalt:

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld