Netzpolitik und Kulturpolitik: Miteinander statt gegeneinander

„Ein Lied kann eine Brücke sein“, sang einst Joy Fleming. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass viele aus der Kultur hinterher trällern: „und die Netzpolitik reißt sie gleich wieder ein“. Womit wir beim eigentlichen Problem der derzeitigen Diskussion ums Urheberrecht sind: die Kulturpolitiker. Die Netzpolitiker. Als ob sich zwei verfeindete Gruppen gegenüber stünden.

Der Konflikt wird auch in dieser Zeitschrift diskutiert: In der letzten Ausgabe beschreibt Herausgeber Olaf Zimmermann seine Sicht auf die aktuelle Debatte, vor allem die um das Urheberrecht. Dabei ist mir deutlich geworden, dass wir in dem Ziel, das Internet als große Chance unserer Wissens- und Informationsgesellschaft zu begreifen und gleichzeitig die adäquate Vergütung der Urheber zu gewährleisten, gar nicht weit auseinanderliegen. Umso wichtiger ist es, alle Beteiligten an einen Tisch zu kriegen und so die Kluft zu überwinden. Alles andere führt in eine Sackgasse.

Für Sackgassen haben wir keine Zeit mehr: SOPA, PIPA und jetzt ACTA, die Zukunft von Produzieren und Konsumieren im Netz gehört zur aktuellen Tagespolitik. Diejenigen, die heute noch von der „Zukunft der digitalen Gesellschaft“ reden, verharren im Gestern. Denn die Zukunft ist schon da; jetzt müssen wir die Weichen stellen. Deshalb, so mein Empfinden, werden die Debatten zurzeit umso leidenschaftlicher geführt. Ob im Bundestag in der Enquetekommission für Internet und digitale Gesellschaft, in der ich Mitglied bin, oder quer durch die verschiedenen Parteigremien hinweg: Die Diskussion läuft. Aus meiner Sicht ist es entscheidend, ob diese Debatte jetzt miteinander oder gegeneinander stattfinden.

Als GRÜNE haben wir das Glück, eine sehr lebendige und heterogene Partei zu sein. Wir haben eine ausgezeichnete Expertise in Bits und Bytes, was es an technischen Möglichkeiten gibt und wie die Wünsche der Menschen sind, die sich im und für das Netz engagieren. Aber ebenso sind die Bedürfnisse der Kulturschaffenden der grünen Partei schon seit mittlerweile Jahrzehnten wichtig. Künstler hatten und haben uns immer getragen und herausgefordert. Dieses gesammelte Wissen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam schwierige Projekte wie die Reform des Urheberrechts voranzubringen, das ist es, was grüne Politik will und auszeichnet.

In der Debatte quer durch die Parteien und in der Enquete einen Gegensatz zwischen Kultur auf der einen und Netzpolitik auf der anderen Seite aufzumachen, halte ich für einen Fehler, der uns nur zurückwerfen kann. Wir GRÜNE wollen nicht einseitig die Interessen derer vertreten, die wir als „Digital Natives“, also die „im Netz Geborenen“, bezeichnen. Deshalb begreift sich grüne Netzpolitik als Querschnittsbereich und soll den Interessensausgleich zwischen allen Netzakteuren voranbringen. Sie ist deshalb Vertreter der Kulturschaffenden und der Nutzer zugleich. Wir stecken mitten im Prozess und suchen den Dialog mit allen Beteiligten, wie dem Deutschen Kulturrat. In der Bundestagsfraktion wurde jetzt eine Projektgruppe zum Thema Urheberrecht eingesetzt auch als Reaktion auf die Debatten rund um unseren Parteitagsbeschluss im November 2011. Ihr gehören Rechts- und Kulturpolitiker genau so an wie Medien- und Netzpolitiker. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, die Kluft langsam wieder zu schließen und zeigen zu können, dass grüne Netzpolitik bestenfalls eine Erweiterung der Kulturpolitik ist. „Ein Lied kann eine Brücke sein“ – und in der Politik stapeln wir auch schon die ersten Steine. Ich würde mich freuen, wenn Sie mitmachen beim digitalen Brückenbau.

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