Nur jeder fünfte Besuchermillionär zahlt Filmförderung an die FFA zurück [Update]

Es sind ernüchternde Zahlen, die Frau Grütters auf meine Anfrage vorgelegt hat: Vier von fünf der an der Kinokasse erfolgreichsten Filme zahlen ihre Produktionsförderung an die Filmförderungsanstalt (FFA) nicht vollständig zurück. Das völlig intransparente Filmfördersystem verhindert leider noch immer eine ehrliche Inventur der Maßnahmen. Obwohl Regisseure und Produzenten von Kinohits regelmäßig darauf verweisen, dass sie ihre Förderungen zurückzahlen, sieht die Wirklichkeit doch anders aus. Nur etwa jeder fünfte Film (21,15 %), für den mehr als eine Million Tickets verkauft wurden, konnte in den vergangenen zehn Jahren eine vollständige Tilgung dieser im Erfolgsfall zurückzuzahlenden Darlehen vorweisen.

Man darf nicht glauben, nur weil ein Film mehr Umsatz mit Kinotickets macht, sei er gleich „wirtschaftlicher“: Auf das Verhältnis zum Einsatz kommt es an. Gleichzeitig ist es aber durchaus überraschend, dass angesichts vergleichsweise geringer Produktions- und Marketingkosten in Deutschland offenbar so wenige Kassenschlager ihre Kosten wieder einspielen.

Es ist bezeichnend, dass die Filmförderungsanstalt diese Zahlen nicht von selbst offengelegt hat. Gerade vor der anstehenden Novelle des Filmförderungsgesetzes muss die FFA von unabhängiger Seite untersucht werden. Allein dass die FFA für die Referenzförderung die absoluten Besucherzahlen zur Grundlage nimmt, ohne die Wirtschaftlichkeit dieser sogenannten Erfolge zu messen, ist angesichts dieser Zahlen schwer verständlich. Dass sich das von der FFA eingesetzte Expertengremium nun auch noch mehrheitlich für eine Stärkung einer solchen automatischen Förderung ausgesprochen hat, ist mindestens fragwürdig.

Das bisherige Mischkalkül der Förderung von ein bisschen Wirtschaft und ein bisschen Kultur hat im Lichte der Fakten ausgedient. Das eklatante Missverhältnis auch auf Bundesebene zugunsten einer Standortförderung, die sowohl tatsächliche Wirtschaftlichkeit als auch den künstlerischen Anspruch links liegen lässt, darf nicht fortbestehen!

Update 28.07.2015:

Hier die Tabellen aus der Antwort der Staatsministerin:

15-07-28_Rueckzahlung_FFA-Selektive_Produktionsfoerderung15-07-28_Rueckzahlung_FFA-Verleihfoerderung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis: Die hier dargestellten Mittelwerte entsprechen nicht dem Gesamtwert über zehn Jahre.

Update 29.07.2015:

Im Nachgang

Es gab einige Reaktionen auf meine Meldung. Daher hier noch ein paar Ausführungen.

Die Filmförderung funktioniert wie ein Gemischtwarenladen, alles ein bisschen (wirtschaftliche, kulturelle und Standort-Förderung) und nichts richtig. Meine Bewertung und Einschätzung, dass es ein Missverhältnis zugunsten einer Standortförderung gibt, bezieht sich auf die Filmförderung, wie sie sich als Ganzes darstellt. Das betrifft im Übrigen nicht nur die FFA. So fließen auf Bundesebene vergleichsweise viele Mittel in den DFFF, der die Attraktivität von Deutschland als Standort insbesondere auch für internationale Koproduktionen stärken soll, und nur sehr wenige in die kulturelle Filmförderung der BKM.

Zu den unterschiedlichen Förderschwellen: Es ist mir durchaus bekannt, dass Filme nach ihren Herstellungskosten im aktuellen FFG in drei Klassen eingeordnet werden (weniger als 8 Millionen Euro, weniger als 20 Millionen und alles darüber). Diese Klassen schlagen sich dann in entsprechend unterschiedlich hohen Schwellen nieder, nach denen sie Referenzmittel erhalten: Je höher die Herstellungskosten, desto mehr Besucher müssen die Filme im Kino erreichen, um einen Anspruch auf Referenzförderung auszulösen. Eine Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit erfolgt hierdurch aber nur unzureichend. Im Falle der Besuchermillionäre zum Beispiel, ändert es nichts, wie teuer der Film war. Hier wird nur der absolute Erfolg honoriert, unabhängig vom Einsatz und Aufwand. Fairer wäre es, ganz auf Schwellen zu verzichten. Man könnte stattdessen die Wirtschaftlichkeit selbst als Kriterium einführen – wobei, das wäre aber ein anderer Punkt, man sicherstellen müsste, dass dies nicht zu Lohndumping führt. Der Ansatz der Expertenrunde von einem Bonus für Filme, die mehr als ihre Herstellungskosten einspielen, geht in die richtige Richtung, ist aber ein sehr grobmaschiges Netz, das wiederum nur in sehr bestimmten Fällen die Wirtschaftlichkeit berücksichtigt. Wie steht es aber um Filme, die 95 % ihrer Herstellungskosten wieder einspielen? Wie wird deren relative Wirtschaftlichkeit berücksichtigt?

Die bisher erfolgte Evaluierung fand im Auftrag der FFA statt. Die Studie kann daher zu Recht auch kritisch gesehen werden. Nicht zuletzt auch, weil die von der FFA auf ihrer Homepage veröffentlichte Studie eine gekürzte Fassung ist. Da fragt man sich, welche Aspekte hier herausgenommen wurden und warum.

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  1. Hagen Myller

    Sehr geehrte Frau Rößner,

    den relativen Erfolg zu fördern ist der richtige Ansatz – sofern er nicht zu einer Subventionierung des Kunstfilms führt, den kaum einer sehen will. Jeder Filmemacher und jede Filmemacherin nehmen mit jeder Förderung, die sie erhalten, anderen Filmemachern das Geld weg, das diese für ihre Produktionen benötigten.
    Gremien sind durch ihre Auswahl erwiesenermaßen nicht in der Lage die Qualität des deutschen Films zu stärken. Ziel ist es, das Publikum zu erreichen. Insofern ist der Ansatz der Expertenrunde richtig, die Verantwortung für die Stoffauswahl und den Erfolg zu honorieren. Die Vorschläge führen in der Konsequenz jedoch zu einer Konzentration auf wenige große Produktionsfirmen und weniger Filme (eine Konzentration, die in Teilen der Branche befürwortet wird).
    Sinnvoller ist es, die Produzenten würden ihre „Estimates“ (Erfolgsprognosen) abgeben, und je nach dem, ob sie sie erreichen oder nicht, würden sie bei ihrem nächsten Projekt mehr oder weniger Fördermittel bekommen. Das ist ein Referenzprinzip, das kleine Filme nicht benachteiligt.

    Herzliche Grüße
    Hagen Myller

    Antworten
    • Büro Tabea Rößner

      Lieber Herr Myller,

      vielen Dank für Ihre Einschätzung.
      Glücklicherweise sind wir in der Debatte über Filmförderung darüber hinaus, Kunst gegen Kommerz auszuspielen. Verschiedene Gattungen, Genres und Ansätze von Kino sind für die Vielfalt des deutschen Films wichtig. Das Kriterium des Zuschauererfolgs kann nicht das einzige Kriterium bei einem Kulturgut sein.
      Da Sie auf die Empfehlungen der Expertenrunde eingehen, kennen Sie vielleicht auch die Studie zur Evaluation der FFA-Förderungen, die auf der FFA-Website in gekürzter Form erschienen ist. Interessanterweise ergab dort die Evaluation der Produktionsförderung, dass die Filme der selektiven Förderung relativ gesehen erfolgreicher waren als die der automatischen Förderung nach Referenzprinzip. Das sollte uns zu denken geben.
      Sie nennen einen guten Punkt: Gemessen werden sollten die Vorhaben auch daran, ob sie die jeweiligen Erwartungen erfüllen können. Eine wichtige Frage muss dafür noch weiter diskutiert werden: Wie werden kulturelle Kriterien quantifiziert?

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